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Keks & Drugs & Rock 'n' Roll

Keks & Drugs & Rock 'n' Roll

Titel: Keks & Drugs & Rock 'n' Roll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Virág
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nieselnden Dauerregen einige Penner zu sehen. Trotzdem haut es mich um, als sich die Stadt, nach einer Stunde Fußmarsch aus der Innenstadt auf einen Schlag ohne Vorwarnung ändert. Ganz abrupt von einer Straße zur anderen. Die Straßen sind voller Dreck und Müll; es laufen auffallend wenige Leute hier herum. So ähnelt Chicago schon eher den berüchtigten als den berühmten Vorstellungen: Vor mir, die verwahrlosten, vergammelten Quartiere und in meinem Rücken die noblen Wolkenkratzer. Ich lasse Lagerräume und Schuppen links liegen, und man schert sich einen Dreck um mich. Das Stadtviertel scheint wie ausgestorben. Die U-Bahn kommt hier aus der Erde und zerstört, über den Rücken der zwischen den Häusern rennenden Hochgleisbögen donnernd, mit eiserner Rücksichtslosigkeit die ruhlose Stille des Viertels. Ich bin erst in der Dreiundzwanzigsten Straße, da lasse ich meine Schritte mit einer Busfahrt via Chinatown bis zur 54-ten Straße strecken. Zwei Häuserblocks weiter bin ich schon in einem schwarzen Quartier, das aus zweistöckigen Häusern besteht. Irgendwann waren diese Häuser wohl ganz nett und ordentlich, aber jetzt sind sie am Verfallen. Zwischen den Häusern sind glitschige Schlammwege kreuz und quer in das lichte Gras gelatscht. Auf häuserlosen Grundstücken stehen kleine Grüppchen von Menschen und unterhalten sich. Meine Empfindungen sind ganz anders, als in den Ghettos von New York City; die Menschen scheinen hier ärmer und verschlossener zu sein.
    Ein Dealer team begleitet mich auf der Straße in einem rostzerfressenen Schlitten. Die Beifahrertür ist schon dermaßen durchgefault, dass man den Deal, ohne sie aufzumachen, abwickeln könnte. Ich bin pleite, zeige ich ihnen und die vier Jungs rollen gemächlich weiter. In einem Tante-Emma-Laden suche ich so lange, bis ich die billigsten Kekse und Milch finde. Wie ich aber zufrieden aus dem Laden auf die Straße trete, stellen sich zwei Halbwüchsige mir in den Weg und grinsen mich herausfordernd an. Sie wollen Geld haben. „Ich habe kein Geld“, aber sie wollen gesehen haben, dass ich doch welches hätte, als ich bezahlte. „Okay, dann habt Ihr auch gesehen, dass ich mein Kleingeld zusammengeramscht habe.“
    „Gerade deswegen, gibst du uns jetzt ‘nen Dollar!“ meint einer der Typen und hebt seinen Zeigefinger.
    „Okay Jungs, ich teile mit Euch, wenn ihr Hunger habt, meine Kekse, aber Geld kann ich Euch nicht geben.“
    „Du lügst!“ fährt mich der Tonangebende an und schiebt meine unter seine Nase gehaltene Keksdose beiseite, dass sie mir beinahe aus der Hand fliegt. Immer noch freundlich versuche ich ihnen beizubringen, dass ich selber aus finanziellen Gründen mit Keksen vorlieb nehmen muss. Ja! bloß das interessiert sie nicht. Jetzt sind sie schon zu dritt und grabschen zu meiner Hosentasche. „Da haste’s! Gib uns alles!“ Plötzlich steigt Wut in mir hoch: „Hurensöhne! Arschlöcher! Verpisst Euch! Ihr Wichser!“ brülle ich sie an und mit einem kräftigen Ruck schiebe ich sie in zwei Richtungen, um den Fluchtweg zu sichern, auseinander. Aber ohne wegzurennen schimpfe ich, soviel mein Englisch hergibt weiter. Das überrascht sie so, dass sie verduften. Die Erwachsenen quatschen an der Ecke, als wenn nichts passiert wäre, weiter gemütlich miteinander.
    Einige Ecken entfernt, hält mich ein Mann an und zeigt mir irgendeinen Ausweis für Nervenkranke, gleichzeitig bittet er um Geld, denn er könne nicht arbeiten. „Okay Alter, ich teile mit dir, was ich selber esse.“ Er freut sich so über die Kekse, dass ich ihm daraufhin die halbe Schachtel schenke und ziehe durch einen gut gepflegten Park ins Uni Viertel. Ich erwische noch ein Ticket im Museum für Wissenschaft und Technik, aber die kitschigen pathetisch patriotischen Dokumente und Visionen der Weltraumeroberung treiben mich, ohne den dünnsten Faden zu Chicago gefunden zu haben, zur Weiterfahrt mit dem Mitternachtbus.
    Bye, bye Chicago, du bleibst bis zum nächsten Mal ein Rätsel für mich. Die Vorstellung von Gangstern in schwarzen Limousinen, die unter den Wolkenkratzern rumdüsen, ist absolut fehl am Platz. Wenn ich dem Toilettenwächter am Busbahnhof glauben kann, sitzen dann die Gangster von heute in ihren Glas-Metall-Beton Palästen und dirigieren mit ihren Videokameras und Computern diese Stadt, die Touristen und das Geld. Ja , das hatte ich heute schon früh um Sechse auf nüchternen Magen erfahren.
    Gleich, nachdem mein Bus in Chicago anlegte, ging ich in

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