Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
dass ich ein Fremder bin, nicht auslassen. „Komm Freund, kauf mir eine Flasche Rum.“
Van winkt ihm zum Glück ab: „Leo! Ihn lass bitte aus dem Spiel, er ist mein Freund.“ Daraufhin, zieht Leo Leine und mein Freund belehrt mich, dass es hier für einen Fremden sogar tagsüber sehr gefährlich sei. Also, ich soll auf keinen Fall ohne einen hiesigen Freund hier herumlaufen. Zum Glück, ich habe einen. Ich will ihn nach der Tanzparty mit einem Blues belohnen und zücke meine Mundharmonika, aber bevor ich überhaupt loslegen kann, hat er schon eine Idee: „Oh, Mann, du kannst Mundharmonika spielen? Dann komm! Wir gehen zu einem Freund, in sein Studio. Er ist Schlagzeuger und ich spiele Bass.“
„Aber, aber, warte ... Ich spiele immer nur so launenhaft für mich alleine“ versuche ich ihm die Tatsache nahe zu legen, aber ...
„Das ist kein Problem. Keiner ist perfekt. Wir gehen zu meinem Freund und wir machen einen tollen Jam.“
Vergebens sind meine Ausreden, in zehn Minuten stehen wir in dem Studio von „King“. Er ist ein großer, rastagelockter Jamaikaner mit tiefer metalliger Stimme und sagt gleich O.K. „Aber ich muss erstmal mit Russel sein Demoband noch zu Ende bereden.“ Russel ist ein elfjähriger Junge, der seine eigene Musik macht. Van schließt derweil schon seine Bassgitarre an, ich bekomme ein Mikrofon, King setzt sich ans Schlagzeug, und Russel packt seine Trompete aus. „O.K. Typ, fang irgendetwas an, wir steigen dann ein“ sagt King.
Die nächsten zehn Minuten spiele ich ein einfältiges Schema rauf und runter, aber die Band begleitet mich mit vollem Elan und rollt wie eine Walze über mich her. Ich habe das Gefühl, dass ich schon lange nicht mehr so schlecht gespielt habe. Aber sie grooven unbeeindruckt energisch weiter und weiter, das lockert mich ungemein auf, und es stoßen bei mir Ideen auf. King ruft nach vorn, ich soll jetzt in „E“ Dur wechseln. „Wie geht’n das. Meine Mundharmonika ist in „C“, ich hab keine Ahnung von „E“ Dur und so was.“
„Ah, in Ordnung“ sagt er und ruft zu den Jungs: „Alles zurück, wir spielen, was dieser Typ hier spielt. Wichtig ist die Musik.“ Er trommelt ununterbrochen und fordert mich auf zu singen, wenn ich das Gefühl habe … Ich singe, (brülle) ins Mikrofon. „Ja das isses“, ruft er hinter den Trommeln, „gib’s ihm, Junge.“
Ich lasse es mir nicht zweimal sagen und ship-ba-pa-lu-bi libi-dubi ... löse ich mich in einem Bebop auf. Meine Beine wirbeln und mein Körper schüttelt wie eine epileptische Stoffpuppe ungehemmte Töne aus meinen Tiefen. Die Musik ist eine Zitronenpresse und holt die besten Tropfen aus mir heraus. Und ich kann jetzt diese Musik verstehen. Ich habe den Faden. Ich bin völlig in Tonart. In welcher??.. Egal! Die Jungs spüren es und schippen raffiniert die Boogie unter meinen Hintern. Absolute Harmonie. Sogar ich bin in der Lage, Russels lachende Trompete erst mit dem Mund, dann mit der Mundharmonika zu begleiten, und er muss auch seltener mit der Hand abwinken, dass ich daneben bin, viel eher einwinken: Jetzt! Zusammen! Und wir sind wirklich ganz zusammen. Am Ende lachen aber nur sie zusammen, über mich, weil ich mich für meine ungenauen Töne umständlich entschuldige.
„Ah, was Mensch! sagt King. Das ist Blues. Miteinander Kontakt zu finden und rausspielen, was in uns steckt. Und was, du warst unser Frontmann, w ow. Dein tri-li-li-lu, und die Schwabbelbeine!“
Van stößt einen Riesenlachschrei heraus. „Das war groß, Mann, das war groß!“ und schlägt mit beiden Händen in die Trommeln. „Ach!“
Ich war an dem Abend so aufgekratzt, dass ich beim Umsteigen nach Connecticut den falschen Zug erwischte. Es kam auch davon, dass ich kein Ticket gekauft hatte, und mein Augenmerk viel mehr dem Schaffner galt, als den Bahnhöfen. Also landete ich mit dem letzten Zug am falschen Bahnhof, wo mich eine hilfsbereite Frau zum Hospital brachte, und ich durfte die Nacht in der unterkühlten Wartehalle unter den Sesseln durchpennen. Doch, ...
Umso wärmer war der Abschied von meinen Freunden in Connecticut am nächsten Tag, als ich endlich mit meinem roten Rucksack loszog, um Amerika ganz und gar, ohne Erholungspausen zu durchstreifen.
Bevor ich aber von New York City aus starte, will ich noch die Unterstadt von Manhattan und Chinatown beschnuppern. In Greenwich Village steige ich aus der Metro. Es kommen mir zwei Männer Hand in Hand entgegen. Eine Ecke weiter knutschen sich zwei
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