Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
Typen. Paar Schritte weiter ruft ein Kumpel, dass ich einen geilen Arsch habe. In Soho ist es ruhiger, die Gegend sieht aber auch viel vernachlässigter aus. Nicht so in Chinatown.
Auf den frisch gefegten Straßen kommen chinesische Kinder in Gruppen aus der Schule. Frauen und Männer wirbeln, fummeln, und überall wird irgendwas gearbeitet. Ausgenommen die Leute, die gerade auf den winzigen Paterrenterrassen fast auf der Straße sitzen und freundlich zurückgrüßen. Eine Gruppe chinesisch redender Jugendlicher kommt mir entgegen. Sie begrüßen mich, im Vorbeigehen. „Hey Mensch, Hallo! Wie geht’s?“
Ich grüße zurück.
Auf der Canal Street endet die Gemütlichkeit. Ein einziger bunter Ameisenhaufen voller Menschen und Waren. Auf jedem Quadratmeter steht ein Verkäufer mit einem Turm von Uhren, Socken, musikspielendem Billigkram, Musikkassetten, Filmrollen, Walkmans, alten und neuen Büchern ... es gibt hier alles, aber auch alles. Und meistens sehr, sehr billig. In der Gegend sind auch mehrere Märkte voller asiatischer Wurzeln, Kräuter, Krebse, schlangenartiger Getiere, wo alle Leute ständig mit irgendetwas beschäftigt sind. Es sieht so aus, als ob man hier auch für wenig Geld viel arbeitet. Die kleinen Nebenstraßen sind voller, mit chinesischen Buchstaben dekorierter Kleinläden, Restaurants und Hotels. Trotz dieser Tüchtigkeit und Ehrfurcht vor der Arbeit, schert sich keiner um die Fixer. Fast an jeder Ecke liegt einer völlig eingeschossen auf dem Bürgersteig. Die Kulis mit ihren Gemüsekarren umfahren sie, als wären sie Elektrokasten oder ähnlich natürliche Straßenhindernisse. Ich amüsiere mich in der Menge. Feilsche hier, feilsche dort, aber kaufe nur ein Wörterbuch und Obst, womit ich meinen Rucksack in der Gepäckaufbewahrung des Busbahnhofs füllen kann.
Nachts, um halb zwölf, als ich wieder via Soho und Little Italy in die Unterstadt komme, sind die Straßen leer geblasen. Nur um die Bars und um die Tag- und Nacht Läden sprudelt ein bisschen das Leben. Einige Nutten spähen hier und da nach Lustbolden. An einer Ecke begaffe ich eine Mulattin mit prächtigem Busen. Sie ist wirklich aufregend in ihrem kurzen schwarzen Lederrock.
„Komm mit mir, Schönling“ sagt sie mir.
„Nein danke, ich habe kein Geld“ rede ich mich heraus.
„Du lügst!“ schreit sie hinter mir her. „Ich sehe, dass du welches hast.“ Und sie schaut, als wäre meine Hose offen.
Au, diese Frau sieht in mein Säckchen! Woher weißt sie denn, dass meine fünf Hunderter unter meiner Unterhose in einem wasserdichten Seidensäckchen stecken. Ich lächle verlegen und schleiche mich schnell davon. Sie soll es nicht sehen: ich bin rot geworden. Okay! Ich muss mich in Zukunft vor Röntgenaugen vorsehen.
In Chinatown sitzen drei Kellner und zwei in Zivil gekleidete Chinesen vor einem nur mit Gittern verschlossenem Restaurant, um einen auf die Straße gestellten Tisch und spielen in dem von drinnen leuchtenden Lichtkegel „Go“.
Das Leben ist hier auch auf Sparflamme gedreht, nur um die Discos und Bars glüht es ein bisschen. Die kleinen windigen Seitengassen gähnen geheimnisvoll. Diese angespannte Stille und leere Ruhe ermüden mich.
Die Metro dagegen ist ganz heimisch. Also Heia-heia mit den üblichen Schutzmannswecker-Unterbrechungen auf meiner Sohle. Schlafen, Nichtschlafen, umsteigen, Endhaltestelle, ach ich gehe lieber hoch in den Busbahnhof und schlafe, auf einem Haufen Zeitungsp apier sitzend, zwei Stunden.
Zwei Tage später sitze ich schon bisschen bequemer für mein Siebentageticket in dem Greyhound Bus.
Es ist besser, wenn ich bei dem miesen Endseptember-Wetter über Pittsburgh und Chicago bis Rapid City mit dem Bus fahre und dort, mal sehen. Es regnet, und der Wetterbericht erzählt etwas von um die fünfzig Grad Fahrenheit (fünf bis zehn Grad Celsius) da oben.
Chicago soll auch kühl
und verregnet sein. Und die Stadt erfüllt dieses Soll. Ich wollte sie verunsichern, aber sie verunsichert mich mit ihrer erdrückend nasskühlen Eleganz. Nichts gegen Eleganz, aber diese elegant angezogenen Kostümdamen und Anzugmänner mit bunten Schlipsen schauen mich mit Abscheu und Arroganz an. Die lächeln nicht darüber, dass ich im Selbstbedienung-Schnellfreßtaurant zu dem billigen Kakao mein eigenes Essen auf den Tisch packe. Es sieht aus, als wäre die Innenstadt nur für Angestellte, Geschäftsleute, Bankiers und so weiter angelegt. Es erfreut mein Herz – merkwürdiger weise -, in dem
Weitere Kostenlose Bücher