Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
Vietnam zum kämpfen schicken, durch die Medien manipulieren, mit zweihunderthundacht Religionen bombardieren, aber diese eine wunderschöne Illusion werden sie mir immer in Ehren zugestehen. Denn das ist hier die lebenspendende Kraft aller Dinge. Der Nuckel der Nation, an dem ich mich jetzt auch angenippelt fühle. Ein wundervolles Gefühl. Eine geistige Selbstbefriedigung.
„Ich mag dieses Land, David. Ich fühl e mich hier wohl und heimisch.“
„Ja, ich meine auch, dieses Land ist der beste Platz der Welt. Ich spüre es mit voller Intuition, ich kann nur hier wohlwollend leben.“
„Ich... ähm, hm, wie soll ich das sagen? Ich meine es nicht so absolut und global“ sage ich rechtfertigend. „Ich meine nur, jetzt und hier sein, ist einfach schön. Ganz heimisch. Ich mag die Leute und alles. Aber es heißt nicht, dass ich nur hier leben könnte. Ich wollte mich nur öffnen und alles um mich herum aufnehmen... nichts weiter...“
Ich beobachte, wie die Straße unter unser Auto gleitet. Manchmal sieht sie aus, als würde sie sich in der Landschaft auflösen und dann wiederum, als würde n die grauen Asphaltstreifen die Landschaft teilen und in ihre Farben zerlegen.
„WUNDERBAR“ lächelt David und atmet mit tiefen Zügen das von roten Felsen unterbrochene, von gelb in grün, in braun wec hselnde Szenarium in sich ein.
Wir husch en mit offener Brust den Rocky Mountains, die sich gerade in Sonnenuntergang kleiden, entgegen. Die schneebedeckten Bergspitzen kratzen rotglühende Wunden in das grauwerdende Blau des Himmels. Die Sonnenstrahlen blasen zum letzten Sturm, dann marschieren sie allmählich zurück. Peggy weckt uns aus unseren Träumereien.
„Good Luck, Good Luck, wir sollten bei der nächsten Ausfahrt nach einem Motel s uchen!“
„O.K. Verstanden.“ David wendet sich zu mir. „Weißt du, sie mag nicht den ganzen Tag nur im Auto sitzen, daher haben wir uns geeinigt, jeden Tag maximal drei bis fünfhundert Meilen zu fahren... Da ist es, sechs Meilen bis zur nächsten Siedlung.“
Das grüne Schild zieht rechts an uns vorbei. Es sind nur noch Fünf, Vier, Drei, Zwei...
„Ist es für dich in Ordnung, wenn wir hier eine Unterkunft suchen?“
Aber ich kann nicht mal antworten, schon fahren wir runter von der Interstate. Eine öde Landschaft unweit von Big Timber. Mit den Sonnenstrahlen schwindet auch die wärmere Luft. Es gibt nichts Schlimmeres, als raus aus dem gut geheizten Auto und rein in das nach Schnee riechende Abendgrau... Ich entscheide mich fürs Motel.
Peggy sucht für sich und David das teuerste der drei Motels aus. David ist mit ihr einverstanden, so nehmen sie ein großes bequemes Zimmer und mich fahren sie zu dem billigsten zurück.
„Tschüß! Wir holen dich morgen ab, dann fahren wir zusammen in den Yellowst one.“
Der italienisch anmutende, schwarzhaarige David und die filigrane Peggy verschwinden in Richtung ihres M otels.
Es ist eine einsame Gegend hier. Es sind nur zwei, weit von einander entfernte Häuser, die zwei Motels, zu sehen. Das Dritte mit meinen Freunden ist außer Sichtweite. Kahle Bäume summen einsame Lieder. Im Hintergrund sind Berge, deren Spitze die Sonne mit geronnenem Blut überzog. Dann verschwindet sie auch und es bleiben nur die dunklen Umrisse in der Nacht.
Zwanzig Dollar und achtzig Cent. Das Zimmer öffnet sich ins Freie, hat Bad und Farbfernseher, den ich aber vorsichtshalber nicht einschalten möchte. Mein Kopf ist sowieso voll von den Ereignissen des letzten Tages. Ich konnte es gestern nicht aushalten und schaltete die Glotze nach dem Wetterbericht doch noch auf einen Kanal, wo mir Billy Graham, der Superprophet, seine erlösende Rede entgegenpuderte. Es war eine perfekte Show. Es waren bestimmt über zehntausend Menschen in der riesigen Halle, wo er wöchentlich, oder vierzehntäglich, das Publikum in seinen Bann zieht. Seine Gemeinde. Er mimt und gestikuliert mit absoluter Präzision. Er kennt all die Raffinessen des schwarzen Gottesdienstes. Ja, er ist aber Weißer, blond und blauäugig. Er predigt mit einer solchen Fesselungskraft, dass das Publikum voller Wonne zunehmend außer sich gerät. Über Graham fiel mir das „Grahambrot“ ein. Ja, die Massen nahmen seine Worte ein, als wären es die Tagtäglichen. Er kritisierte auf Gottes Eingebung die Regierung, rügte und prophezeite. Die vielen Fernsehkameras und die Musiker folgten ihm auf die kleinste Schwingung haargenau, als empfingen sie ständig dieselben, spontanen
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