Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
Trotzdem...
„Nein, nein David, weißt du. Das war damals ein Staat. Und die Kommunisten hatten gerade mit den Juden zusammen gegen die Nazis gekämpft. Die Nazis waren die Faschisten und hatten die Macht im ganzen Land...“ David verschlingt meine Worte dermaßen neugierig. In einer halben Stunde verpasse ich ihm eine Lektion über Europa nach 1933. Schließlich über die DDR... „Schau David, es gibt in dem Land einen Haufen tolle Leute und natürlich Arschlöcher, wie überall. Es gibt dort auch Dinge, die du mögen würdest...“
„Ja? Wirklich? Das ist interessant. Ich sage auch, man soll kein System, das man nicht kennt, verurteilen. Ich denke auch, jede G esellschaft hat schlechte und gute Seiten.“
„Meinetwegen, verurteile das System, aber nicht die Leute, die drin leben, denn es regieren immer nur wenige, die sich dann Politiker nennen.“
„Ach, ich muss dir, mein Freund, etwas zugeben; ich weiß sehr wenig über die Welt da draußen. Dieses Land hier ist so immens groß, dass ein ganzes Leben wenig ist, um es kennenlernen. Aber ich bin dir sehr dankbar, etwas Neues erfahren zu haben.“
Es ist angenehm, jemandem etwas lehren zu können, derweilen aber selber zu lernen. David spricht ein sehr gewähltes Englisch.
„Das wunderschönste Anliegen unseres Daseins in der Welt ist, wenn man den inneren Attitüden freien Lauf nach außen lässt... Wenn Menschen sich spontan öffnen.“ Er ist voller Begeisterung. „Wir sitzen zum Beispiel jetzt hier in meinem Auto und unterhalten uns ohne Tabus über alles, was uns in den Sinn kommt. Ich hätte vor ein paar Stunden auch an dir vorbeifahren können und niemals erfahren können, was ich verpasst hatte.“
„Oder du hättest etwas viel Großartigeres erlebt“ sage ich mit einer Miene, als würde ich mich sehr schämen , und es täte mir sehr leid, dass er wegen mir etwas Schöneres verpasst hatte. „Nun David, wenn ich ein guter Christ wär, würde ich sagen; Gott weiß alles. Oder wär ich ein Muselmann, würde Allah alles wissen.“
Er macht ein ernsthaftes Gesicht: „Krishna, Krishna. Vishnus Augen sehen alles“ intoniert er wie ein Guru.
Wenn wir jetzt einfach herzhaft los gelacht hätten, wäre das Thema herrlich abgeschlossen worden. Aber nein! Wir quasseln und schwelgen und bla-bla-bla; dass jede Religion an derselben Stelle, die einzig wahre Lehre zu bieten, hinke. Jede akzeptiere nur sich selber. So wird aus der Wahrheit, Teilwahrheit, denn letztendlich wollen alle genau denselben Himmel einnehmen. David ist wieder in Form. /Ich auch/ Aber ich besinne mich noch, bevor wir uns selbst an unserer eigenen Wahrheit un(er)lösbar festnageln. Unsere Feststellungen drehen sich sehr um seine Antireligions- Religion. Also, wir sind auch gerade dabei, seine Erkenntnisse zu verabsolutieren und alles andere abzulehnen. Das kann doch nicht wahr sein!...
„Okay David! Ich schlage vor, wir hören sofort auf zu philosophieren. Versuchen wir uns lieber spontan zu äußern...“
David hält kurz und andächtig inne, dann:
„Wunderbar diese Landschaft. Der Mensch kann in sie eintauchen , wie in ein Märchen. Es ist ein wunderschönes Gefühl, die Natur in uns aufzunehmen. Das ist auch eine Art der Selbstoffenbahrung.“
Als hätten wir beide auf diese Wörter gewartet, verstummen wir plötzlich und entdecken wieder die Natur.
„Wunderbar!“ ruft David nach einem langen Schweigen aus.
Nur dieses Wort: WUNDERBAR, und es beinhaltet Alles. Er sagt es nicht nur mit seinem Mund, sondern sein ganzer Körper verbirgt sich dahinter. Er sagt es aber mit so einer Wollust, dass, Peggy wenn sie ihn jetzt sehen würde, bestimmt einen Eifersuchtsanfall bekäme.
Bei mir fängt es an zu schimmern, was die Leute hier unter Freiheit zu verstehen pflegen. Meine inneren Kanäle öffnen sich, und meine Gedanken strömen ungebändigt in die von Kiefernhainen aufgelockerte, felsenbetupfte grüne Natur, und sausen über einsame Farmen hinweg. Ich muss nicht fürchten, dass sie in einer Kirchturmspitze hängen bleiben oder, dass sie von der Rasierklinge der Zivilisation bearbeitet werden. Nein! Hier spüre ich hinter den Bergen Berge, und hinter den Hügeln nochmals Hügel. Keine knatternde Zivilisation. Ich weiß genau, dass es nur eine Illusion ist, aber ich weiß auch, ich kann in eine noch so von Menschen und Maschinen wimmelnde Stadt gelangen, es wird niemand je versuchen, mir diese eine Illusion zu rauben. Sie können mich erschlagen, beklauen, lieben, nach
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