Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
gewöhnt.
Ich muss an die vielen abgebrannten Typen von New York City denken, die nicht mehr in der Lage sind für sich selbst zu sorgen. Es ist nun mal so, wenn jemand damit anfängt, sich von Almosen zu ernähren, kommt er nicht so einfach wieder auf seine Füße. Das Merkwürdige dabei ist, dass die meisten denken, sie seien frei.
Aber, weg mit solchen Gedanken! (Ja, ich habe ein perfektes Verdrängungssystem?) Und schon stehen wir vor einer Wiese voller wiederkäuender Antilopen, die die fotoapparatklirrenden Touristen gelassen ignorieren. Sie sind hier in Sicherheit, nicht so wie ihre Artgenossen außerhalb des Nationalparks. Dort hat gerade die Saison begonnen, und die Motels wimmelten gestern von jagdentschlossenen Männern, die jetzt da ‘draußen’ dem Wild nachhetzen.
Wir müssen schon wieder anhalten. Diesmal, um zu lachen: An einem Berghang postiert sich ein Mann hinter seinem, auf einem Stativ aufgebauten, kanonengroßen Teleobjektiv und lauert darauf, dass ein kleiner Kojote, sechzig-siebzig Schritte von ihm entfernt, in seinen Blickwinkel spaziert. Jetzt sind wir erst stolz auf die Dienstleistung, die der Kojote uns erwiesen hat. Vielleicht kam er vorhin nicht wegen des Essens zu uns, sondern um sich fotografieren zu lassen?
Also , wir amüsieren uns, und nach einigen Bisons am Straßenrand erscheint uns die Tierwelt auch selbstverständlich. Alles, was wir beide nur aus Filmen kennen und jetzt unmittelbar erleben, kommt uns als das natürlichste Ding der Welt vor.
Die Straße wandelt sich plötzlich an einer schattigen Stelle zu einer schneebedeckten, vereisten Piste , und eine kurvenreiche Strecke führt uns zwischen Hügeln hindurch, die mit einem von grünen Kiefern durchbrochenen weißen Laken überzogen sind. Die Bäume scheinen nur deswegen gen Himmel zu ragen, um den Schnee vorm Schmelzen zu schützen. Aber die Sonnenstrahlen brennen alles trocken, was nicht in ihrem Schatten steht.
Ich hole meine lustige Sonnenbrille, die ich im Reservat gefunden ha be, aus der Jackentasche. Sie ist aus grüner Plastefolie mit Ohren aus dünnem Karton. Ich betrachte die Sonne, die volle Pulle zwischen den Bäumen leuchtet. Dave fährt vor Lachen, als er mich anschaut, fast in den Straßengraben.
„Oh, ha ha. Super!“
„Schau dies! Die ganze Gegend bekommt eine neue Dimension. Alles hängt nur davon ab, mit welchen Augen wir die Dinge betrachten.“ Ich schiebe die ‘Brille’ hoch und runter. „Das Beste ist, wenn ich schnell wechsle. Es sind verschiedene Erlebnisse. Ganz wie im Leben... Bloß dort tragen wir leider keine Sonnenbrille.“
„Doch, doch“ kontert David, „aber wenn wir sie tragen, betrachten wir alles nur durch sie. Das ist auch das Einschneidende bei den Religionen, wenn wir sie genauer betrachten. Die setzen die mormonen- baptistische- oder die islamische Brille auf und ihre Anhänger sollen die Welt nur durch diese betrachten.“
„Ja, es stimmt. Perfekt wäre, wenn wir alles mit freien Augen betrachteten, und nur für die Sonne würden wir die Sonnenbrille benutzen. Und versuchen, die beiden Bilder zusammen zu bringen.“
„Good Luck, Good Luck! Siehst du den sonnigen Hang dort vorne?“ kommt Peggys Stimme aus de m Äther.
„Wunderbar, Sunshine! Wir parken hier.“
Peggy stellt auch ihren Wagen ab, neben unseren, und wir steigen alle aus.
Es ist warm. Wir haben den Schnee schon hinter uns gelassen. Ausgeblichene braune Lichtungen rinnen locker zwischen den Bäumen verstreut den Berghang hinunter. Peggy atmet tief durch, als würde sie mit jedem Zug die ganze Natur in ihre Adern pumpen.
„Gesegnet ist dieses Territorium und wir auch, dass wir all dies hier teilen können“ sagt sie, dann hakt sie sich bei David ein und sie laufen Arm in Arm hinunter zu einem sonnigen Fleck. Sie setzen sich, jeder für sich, hin, drehen ihre Köpfe zur Sonne und meditieren mit geschlossenen Augen. Am Anfang dachte ich, sie gingen jeweils, um ihre Geschäfte zu tätigen, deshalb ging ich in eine andere Richtung. Ich erleichtere mich, derweil sehe ich sie mit der Sonne im Gesicht, vertieft im Lotussitz. Und bei mir fällt erst jetzt der Groschen. Ja, ja, Sprüche klopfen, das kann ich. Schau in die Sonne und schau in dich! Und bring die beiden Bilder in dir zusammen, undsoweiter. Aber, wenn die Zeit kommt, das zu tun, stehe ich nur rum und schaue einfältig drein.
Okay, ich setze mich hin und beginne zu meditieren. Aber es ist viel zu gewollt, um mich vertiefen zu können.
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