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Keks & Drugs & Rock 'n' Roll

Keks & Drugs & Rock 'n' Roll

Titel: Keks & Drugs & Rock 'n' Roll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Virág
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Ende, steckt schon das Mundstück in seinem Munde, und das Trio schmettert uns die Schluss-Akkorde entgegen.
    Der alte Schuhputzer, dessen Stand direkt an der Ecke, neben der Band steht, nutzt die kurze Stimmpause aus und beginnt zu steppen. Seine metallbeschlagenen Schuhsohlen und Hacken hämmern wie Maschinengewehrsalven auf dem Beton, seine eben holzfarben glänzende Hände wirbeln in Hüfthöhe, als würde er mit Tellern balancieren und die Beine schwabbeln unglaublich schnell wie Schneebesen, als wollten sie seine mindestens fünfundsechzig Jahre in Frage stellen. Einige Leute spenden ihm einen begeisterten Applaus, und ein stämmiger Mulatte mit weißen Hosen, bordeauxroter Jacke und braunen Schuhen setzt sich zur Belohnung als Kunde in seinen „Katapult“. Der Alte zeigt ihm und uns allen, dass seine Hände mindestens so schnell arbeiten wie die Füße.
    Der Blues übernimmt abermals die Prim und lässt meine Seele in die warme, Endoktober-Frisco-Nacht schmelzen. Aber genau um Neun, wie auf Zauberwort, hört die Musik auf. „Danke schön, das war’s für heute. Wir sehen uns übermorgen wieder hier...“
    Ich hoffte, dass ich bis dahin auch wieder hier sein werde. Mein Bus startet um elf Uhr nach Eureka. Die Strecke ist nur zweihundertachtzig Meilen lang, die kann ich bestimmt in zwei Tagen zurücktrampen so, dass ich mir unterwegs die Mammutkiefern anschaue. Aber bis dahin habe ich eineinhalb Stunden, um hier erst Mal noch ein wenig herumzubummeln. Dieser Blues war genau das richtige als Einstieg, ich spüre, wie er mein Blut auf kalifornische Schwingungen umgestimmt hat. Wärme, Lockerheit und Geduld strömen nun in meinen Zellen.
    Die Straßen auf dem Nob Hill sind richtig sauber geputzt, und spät abendliche Ruhe breitet sich auf ihnen aus. Ja, aber ich will etwas sehen. Die Market Street ist dagegen voller Leben, und um die Turk Street herum locken wenig beleuchtete Sexkinos und Bars zwischen im Dunklen schimmernden, kaputten Häusern, deren Fenster mit Brettern vernagelt sind, die Männer an. Hier werde ich gleich von einigen Schwarzen Dealern angesprochen, sie bieten mir von Hash bis Frau alles an, aber zu mindest soll ich einen Quarter springen lassen. Ich hänge sie ganz leicht, obwohl schon viel sanfter als vorhin, ab. Dann sehe ich einen Haufen Penner in einer langen Schlange stehen. Ah, sie warten bestimmt auf ein Bett! Ich muss mir die Straße und das Gebäude merken, vielleicht kann ich auch mal im Notfall hier schlafen, wenn ich wieder zurück bin. Aber es ist leider Zeit. Bye-bye Frisco, ich bin bald wieder zurück. Und wir tuckern schon über die Golden Gate Bridge nach Norden. San Franciscos Lichter schmelzen langsam in eine fortwährend dunkler werdende graue Masse, bis ein Berg, nach einer Kurve, sie endgültig auslöscht.
     
    So findet mich der Morgen schon in Eureka, wo ich bei McDonald’s, meine Kekse mit Kakaospülung in meinen Magen hineinzaubere. Obwohl ich weiß, dass ich mit ihnen noch lange vorlieb nehmen muss, hasse ich Kekse. Aber, aber was juckt mich das, wenn draußen Palmen und bunte Blumen die lang gestreckten Straßen zwischen den flachen Häusern schmücken.
     
Das Trampen erweist sich als sehr mühsam.
    Die Autofahrer wollen mich nicht gerade verwöhnen. Ein Hippietyp fährt mit gleichgültigem Gesicht an mir vorbei. Nanu, die Hippies scheißen auch auf die Tramper? Das muss ich erst mal verdauen. Die große kalifornische Lockerheit ist Ignoranz? Ich laufe und laufe durch Eureka auf der 110, bis ein alter Mann meine Schritte um fünf Meilen verlängert. Dann marschiere ich zwischen Ackerfeldern, wo mir zwei Burschen einen zehn Meilen Lift bis zu der kleinen Stadt Loleta geben.
    Auf der Hauptstraße treffe ich auf einen anderen Tramper, der mir erzählt, dass er gerade von zwei Typen beklaut worden sei. Als er ausstieg, gaben sie flugs Gas, mit seinem Gepäck auf der Ladefläche des Pickups. „Also, pass immer gut auf! Halte deine Hand immer auf deinem Rucksack!“
    Seitdem halte ich beim Aussteigen meine Hand immer auf meinem Gepäck , und wenn es auf der Ladefläche liegt, greife ich schon von der Türschwelle aus nach ihm.
    Das aller sicherste ist natürlich, wenn er auf meinem Rücken bleibt, und ich zu Fuß gehe. Es ist nicht gerade herzerfreuend hier auf der langen Hauptstraße zu marschieren, wo es weder Palmen, noch Schatten gibt. Nur die Sonne brennt erbarmungslos herunter auf dieses einfache Provinznestchen. Dennoch vernehme ich eine unerklärlich

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