Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
kurven, umso üppiger und grüner wird die Vegetation. Grüne Berge umgeben uns, bis wir über den Donner-Pass auf der anderen Seite wieder langsam in Kalifornien absteigen, wo das Klima, nach den hier und da erscheinenden Palmen zu urteilen, wesentlich wärmer sein mag.
Und plötzlich! Als ich an einer Haltestelle für einige Minute aussteige, erschlägt mich die Hitze. Unglaublich! Die Häuser sind auch ganz anders als im Norden, oder im Osten. Die meisten sind aus Stein oder Lehm gebaut, weiß angemalt und mit flachen, roten Dächern gedeckt.
Erst weiter unten, im Sacramento Tal, tauchen wieder die üblichen Holzhäuser auf. Sogar ganze Siedlungen sind hier daraus entstanden. Eine solche, mit Palmen und üppigen, bunten Blumen voll bepflanzte Siedlung ist mit einem hohen Holzzaun von der wesentlich trockeneren, tropischen Außenwelt abgeschottet. Eine Stunde später schluckt aber Sacramento die ganze braungebrannte Gegend auf und verwandelt sie in eine luftige, grüne Stadt. Ich habe jedoch nur eine halbe Stunde, sie anzuschauen, dann tuckert der Bus weiter
NACH SAN FRANCISCO,
wo uns die Abenddämmerung entgegengähnt. In Oakland gaffen mich kaputte Häuser mit eingeschlagenen Fenstern an, dann folgen sorgfältig gepflegte Viertel. Dann fahren wir über die beleuchtete Bay Bridge, hinter der die Silhouetten der Hochhäuser von San Francisco erscheinen, und mein Herz fängt an schneller zu schlagen. Ein erdrückend schöner Anblick. Erdrückend ist er, weil ich mir gar nicht vorstellen mag, was ich dort in der Betonwildnis anfangen werde.
Aber meine Besorgnis legt sich, während wir ins Zentrum rollen. Ich lasse schnell mein Ticket für eine Fahrt nach Norden gültig machen, denn mein Plan ist: gleich mit dem nächsten Nachtbus, der in dreieinhalb Stunden losfährt, zu den Mammutkiefern zu fahren, so kann ich während der Fahrt pennen. Solange nehme ich mir eine Kostprobe von San Francisco.
Ein angenehmes Gefühl überkommt mich, als ich auf die Straße trete. Endlich bummeln. Ohne Ziel, nur so rein in den Abend, um auf der Market Street in die Luft zu beißen. Die Farben und die Leute sind hier ganz anders als in New York City. Die hiesige Atmosphäre ist viel gemütlicher und langsamer, keine Spur von Gewalt und Hektik. Was natürlich nicht bedeutet, dass ich hier nicht von bettelnden Leuten um einen Quarter angesprochen werde, sondern, dass diese Typen unaufdringlicher sind. Sie denken trotzdem, weil ich einen roten Rucksack habe, bin ich gleich ein Spendiervogel. Aber es gibt auch Typen, die mit mir anscheinend nur ein bisschen schwatzen wollen. Ein netter Mulatte schließt sich mir an und sagt: „Hey Mann, du hast aber einen schönen Rucksack. Wo kommst du her? ... Oh, das ist ein schöner Platz, ich will auch später mal dort hin, irgendwann. Vielleicht nächstes Jahr...“
„Oh, ja! Mann...“ ich freue mich schon wegen seines Interesses, da wechselt er seinen Ton, wie ein alter, ve rtrauter Weggefährte:
„Sag mal, mein Freund, haste für mich einen Dollar?“
„Verflixte Scheiße! Verpiss dich du, Arschloch“ schreie ich ihn wutentbrannt, mit zur Faust geballten, zuckenden Händen, die meinen Körper schütteln, an, und das wirkt: Er verschwindet sofort. Hm, das war wohl ein bisschen zu hart. Naja, die New-York-Reflexe. „Nun komm wieder runter, Junge. Kühl dich ab und genieße den warmen Abend!“ „Ganz lässig, Typ... und schau!“:
Elegante Herren in feinen Anzügen und schicke Damen laufen umher, auf den Straßenbänken sitzen besoffene oder eingeschossene friedliche Penner, von denen jeder irgendetwas Persönliches, etwas Buntes an seiner Bekleidung hat; ein farbenfrohes Stirnband, ein interessantes T-Shirt, oder einen verzierten Gürtel. Also, sie wirken nicht so verlassen und eintönig wie die Kumpels von New York City, bei denen alles schon egal ist.
An einer Straßenkreuzung drehen zwei Männer die Seilzug-Straßenbahn um, die Fahrgäste steigen ein, und die Bahn fährt die steile Straße empor. Ich schlage meinen Weg auch in diese Richtung ein, komme aber nicht sehr weit, denn gleich an der zweiten oder dritten Ecke steht ein Trio, zwei weiße endzwanziger Kerle und ein Schwarzer, die in Bass, E-Gitarre und Saxofon Besetzung herzerfreuenden Blues spielen. Die Musik ist fröhlich und locker. Der Schwarze spielt das Saxofon und wir, das zwei Dutzend buntgemischte Publikum, Junge und Alte, Schwarze und Weiße, einige Besserbetuchte und zwei alte Penner stehen im Kreis um sie
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