Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
wohne schon seit drei Jahren, gleich hier in der Nähe, aber ich habe noch niemanden auf dieser Straße zu Fuß gesehen. ‘Sist absolut e sicher; du bist der erste, der hier zu Fuß läuft.“
Wir kommen sogleich an einer winzigen Tankstelle an. Er geht in den Tante-Emma-Laden und erzählt gleich den Leuten dort, dass dieser Typ hier, stellt euch mal vor, hier auf der alten „Eins-null-eins“ trampt. Er ist jetzt schon daheim, sein Haus ist eine Viertel Meile von hier entfernt im Wald. Norman, mit dem hellen, kurzen Haar aus Pennsylvanien, fühlt sich wohl in dem gelösten Klima Kaliforniens. Er ist jung, sein Schnauzbart ist noch sehr flauschig. Er will erst mal einige Jahre in diesem Winkel bleiben, denn er verdiene sehr gut, über fünfzehnhundert im Monat. Dann aber will er sich auf die Socken machen, um die Staaten zu bereisen. Ja, erst dann...
Ich dagegen ziehe unverzüglich weiter. Zuerst jedoch muss ich meine Regenjacke überziehen, bevor ich
meine Beine auf den regengepeitschen Asphalt werfen
kann. Es kommt kein Auto, besser gesagt; alle halbe Stunde eins. Dann gibts wieder diesen Mars-Effekt, /die gucken mich an, als wäre ich plötzlich vom Himmel, von einem anderen Planet, gefallen. Obschon es eine Weile her ist, dass ich auf die Erde gefallen bin. Pflopp, pflopp, der Regen fällt vom Himmel, meine Schuhsohle hat ein Loch, und ich werde von unten nass. Die aufwärts führende Serpentine kurvt manchmal so günstig, dass der Wald keinen Tropfen Regen bis zum Boden durchlässt. Die Straße ist dann knochentrocken, aber auch stockfinster, als wäre es schon spät am Abend. Dann ist es auf einmal wieder Tag. Der dichte Wald öffnet sich nur so weit, dass hier Autos gerade mal durchfahren können. Die Bäume stehen am Straßenrand, als wollten sie den grau glitzernde Asphaltstreifen in ihrem dunklen Schatten, mich eingeschlossen, verschlingen. Es ist mystisch, sehr mystisch.
Ich bin mutterseelenallein mit den siebzig und achtzig Meter hohen Riesen, von denen einige die Brandspuren vergangener Tage tragen. Kegelförmige, drei- viermannshohe, verkohlte Löcher klaffen finster in ihren Stämmen, sodass kleinere Indianer Tipis hineinpassen würden. Da müssen sehr hartnäckige Feuer am Werke gewesen sein. Aber die Bäume waren standhafter als das Feuer, das nur nagte und nagte, ohne sie jedoch zerstören zu können.
Ich weiß nicht warum ich weitermarschiere, und weiß nicht, wo ich ankommen werde, daher mache ich mich mit dem Gedanken vertraut, heute eventuell in so einem „Baum-Tipi“ mein Nachtlager aufzuschlagen. Sie sind so geräumig, dass ich im Liegen sogar meine Hände ausstrecken könnte. Aber meine Beine ziehen mich einfach weiter und schließlich bekommen sie recht. Sie führen mich aus dieser finsteren Wildnis.
Die Landschaft öffnet sich vor mir , und neben der Straße erscheint das breite Flussbett des Eel River, in dem das Wasser jedoch nur mit einem schmalen Rinnsal plätschert. Bald finde ich einen regengeschützten Platz.
Ich stoße wieder an die Autostraße Nr.: „101“, die an dieser Stelle mit einer breiten, langen Betonbrücke meine Straße kreuzt, genau an dem Punkt, wo sie auch über den Fluss führt. Also Brücke über Brücke so, dass die beiden sich an meinem Ufer kreuzen, und auf der anderen Seite einige hundert Meter von einander entfernt in zwei Richtungen weiterlaufen. Ich bleibe unter der oberen Brücke stehen und warte, dass der Regen endlich aufhört. Aber vergebens. In einer halben Stunde wird es dunkel, so ist es besser, wenn ich jetzt rasch unter der untersten, der kleineren Brücke, ein Nachtlager suche.
Zwischen de r steilen Uferböschung und dem Betonpfeiler ist so viel Platz, dass ich mich ohne weiteres zweimal ausstrecken kann, ich muss nur beim Stehen meinen Kopf einziehen. Also, ich habe eine überdachte Terrasse mit Wasserblick, die von links durch undurchdringliches, dorniges Gestrüpp, von hinten durch eine Betonwand und von vorn durch einen steilen Abhang geschützt ist. Nur die rechte Seite ist offen. Ich breite meine nassen Klamotten zum Trocknen aus, esse mein Abendbrot und krieche in meinen Schlafsack. Wunderbar! Die Brücke ist aus doppelbödigem Sandwitschpaneel gebaut und isoliert jedes Geräusch der Autos von oben. Das Rauschen des Wassers wiegt mich in den Traum.
Aber gerade beim Dunkelwerden werde ich wach, weil
Fledermäuse über meinem Kopf
kreisen. Sie schwärmen durch handtellergroße Löcher aus dem Beton heraus und fliegen
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