Kellerwelt
und brachte ihn zum Grinsen.
„ Da ist er wieder. Er hat
gerade die Augen aufgemacht."
Ah, eine Frauenstimme. Sehr
angenehm. In der Gegenwart einer Frau fühlte er sich sehr viel wohler als in
der Gegenwart gewaltiger Gewehre.
„ Außerdem grinst er blöde
vor sich hin."
„ Das sind die Nachwirkungen
des Schmerzkillers."
Eine neue Stimme. Soweit er
sich erinnerte, gehörte sie einem zeternden Zwerg. Einem lächerlichen Liliputaner.
Einem keifenden Kleinwüchsigen. Einem chlechten Chef.
Ach, wie er diese Alliterationen liebte. Vielleicht sollte er es noch einmal
mit den Augen versuchen.
Als er sie zum zweiten Mal
öffnete, sah er Bretter. Viele Bretter. Überall Bretter. Das mussten die
sprichwörtlichen Bretter sein, die er vor dem Kopf hatte. Und sein linker Arm
brannte immer noch. Er schaute nach, konnte aber kein Feuer entdecken.
Stattdessen hatte jemand eine Bandage um den Arm gewickelt.
Während er seinen Arm
beäugte, sickerte die Frauenstimme wieder zu seinem Bewusstsein durch. „Dein
Arm war total kaputt", sagte sie. „Da hing sogar schon der Knochen raus.
Das Panzerchen hat aber gleich alles wieder gerichtet und ein Medipack drauf
gemacht. Dann haben wir dir noch einen Schmerzkiller gegeben. Der hört gerade
auf zu wirken."
Das stimmte auffallend. Die
Schmerzen wurden zunehmend persönlicher. Doch zu seinem Erstaunen ließen sie
dennoch von Augenblick zu Augenblick nach. Dann verebbten sie schließlich ganz.
Allmählich löste sich auch
die Wolldecke, die über seinen Gedanken lag. Einige Stichworte kehrten zu ihm
zurück. Kriegszone, Schießerei, Granaten, der Chef, die Kleine, das Panzerchen.
Nach und nach fügte sich ein Puzzle in seinem Kopf zusammen. Nur die Bretter
wollten nicht recht in dieses Bild passen. Er fragte sich, was es mit denen auf
sich hatte.
Um der Sache auf den Grund
zu gehen, schaute er sich um. Soweit er beurteilen konnte, lag er auf dem Boden
eines recht großen Raumes. Wände aus Holz. Zwei Türen - offenbar ein Vorder-
und ein Hintereingang. Insgesamt vier Fenster, an jeder Wand eines. Neben einem
dieser Fenster stand der Chef gegen die Wand gepresst und linste nach draußen.
Ansonsten gab es in diesem Raum nichts, bis auf eine nackte Glühbirne, die oben
zwischen den Dachsparren hing.
Was hatte der Chef während
des Briefings gesagt? Die Häuser in der Kriegszone waren nicht mehr als
Attrappen. Nur Fassaden, kein Inhalt. Wenn er es recht überblickte, dann
mussten sie sich gerade in einer solchen Attrappe befinden.
„ Du bist voll in die Luft
geflogen", sagte die Frauenstimme. Dazu schob sich die Kleine in sein
Blickfeld. „Das Panzerchen hat das gesehen und hat dich geholt. Hat dich den
ganzen Weg bis hierher geschleppt."
Er ließ seinen Blick
kreisen, bis dieser die Umrisse eines menschlichen Kleiderschrankes fand, bei
dem es sich nur um das Panzerchen handeln konnte.
„ Danke, Mann." Mehr
brachte er noch nicht heraus.
Der Chef hingegen schon.
„Scheiße", fauchte der Zwerg. „Ist ja nett, dass du noch unter uns weilst,
aber das Panzerchen hat echt Mist gebaut. Hatte ich nicht gesagt, wir gehen
weiter, wenn es einen von uns erwischt? Hatte ich nicht gesagt, wir nehmen
keine Rücksicht auf Nachzügler? Und was macht dieses Rindvieh von einem
Fleischberg? Er dreht sich um und latscht zurück - und das, obwohl ich es
ausdrücklich verboten habe. Panzerchen, du hast gegen einen direkten Befehl
verstoßen. Darüber sprechen wir noch, verlass' dich drauf!"
Er hatte einige Mühe, den
Ausführungen des Liliputaners zu folgen. Also ließ er es einfach bleiben und
wandte sich wieder ab. Stattdessen interessierte ihn viel mehr, was die Kleine
gerade an seinem linken Arm veranstaltete. Sie fummelte an der Bandage herum
und löste den Verbandsmull. Dann wickelte sie seinen Arm aus. Er bestaunte
seinen Unterarm. Der Ärmel seiner Jacke hatte sich bis auf einige verkohlte
Überreste buchstäblich aufgelöst, doch sein Arm schien völlig intakt. Das
Wunder der Medipacks, von dem der Chef gesprochen hatte.
Je mehr die Wirkung des
Schmerzkillers nachließ, desto mehr Details kehrten zu ihm zurück. „Wo ist
meine Kanone?"
Die Kleine grinste. „Schau
mal in deiner rechten Hand nach."
Er schaute nach.
Tatsächlich, da war die Kanone.
„ Du wolltest das Ding einfach
nicht loslassen, selbst als du völlig k. o. warst. Das Panzerchen hatte die
ganze Zeit über Angst, du würdest ihm versehentlich in den Hintern
schießen."
„ Das ist ja alles ziemlich
rührend", sagte
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