Kells Legende: Roman (German Edition)
Stirn. »Wo ist Kat?«
Nienna zuckte mit den Schultern. »Weiß ich nicht.«
Kell trat wieder in den Flur, schlich überraschend leise zum nächsten Raum und öffnete die Tür. Saark und Kat saßen nebeneinander auf dem Bett, und zwar für Kells Geschmack ein bisschen zu dicht beieinander. Kats perlendes Gelächter klang wie das Läuten kleiner, silberner Glöckchen.
Saark drehte sich um, sah in Kells Gesicht, und das Lächeln verschwand schlagartig aus seiner Miene.
»Saark, auf ein Wort?«
Saark hustete und stand auf. Kell sah, dass der Mann seine Stiefel ausgezogen hatte. Er trat um das Bett herum und ging mit Kell hinaus in den Flur. »Gibt es ein Problem, mein Alter?«
Kell griff an ihm vorbei den Riegel, lächelte Kat an, zog die Tür zu, packte Saark an der Kehle, hob ihn hoch und rammte ihn mit einem lauten Rums gegen die Wand. Saark zappelte einen Augenblick mit den Füßen, dann ließ Kell ihn wieder sinken, bis ihre Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren.
»Du fasst sie nicht an!«, knurrte Kell.
»Ich weiß nicht, was du meinst!« Er klang wirklich beleidigt.
»Ich meine das Mädchen, Saark. Kat. Und auch meine Enkelin nicht, da wir gerade von Mann zu Mann darüber reden. Du wirst die beiden nicht … belästigen. Haben wir uns verstanden, mein Junge?«
»Wir sagen zwar meistens Mädchen, wenn wir mit ihnen oder über sie reden, aber es sind erwachsene Frauen, Kell. Sie sind intelligent und besitzen Einfühlungsvermögen. Sie treffen ihre eigenen Entscheidungen.« Saarks Lächeln wirkte jedoch ein wenig gezwungen.
»Und ich bin ein erwachsener Mann, der einem anderen erwachsenen Mann erzählt, dass die beiden noch Kinder sind. Wenn du sie anrührst, breche ich dir jeden einzelnen verdammten Wirbel in deinem Rückgrat. Ganz, ganz langsam.« Er sprach leise, aber seine Stimme klang todernst. Saark erwiderte mit unbeteiligter Miene seinen starren Blick.
»Du solltest die Augen öffnen, alter Mann. Die beiden sind alles andere als Kinder. Es sind Rosen, die gerade zur vollen Schönheit erblühen. Es sind rauschende Flüsse, die sich ins Meer ergießen …«
Kell schnaubte und ließ Saark los, der gegen die Wand sackte. »Spar dir deine gezuckerten Worte für die Huren dort unten auf«, erklärte Kell. »In den Satteltaschen der Soldaten waren genug Münzen, um sich mindestens eine Woche lang zu amüsieren; nimm sie. Aber ich warne dich: Halt dich von dem Mädchen fern.«
Saark nickte und strich sich die unordentliche Kleidung glatt. Er hustete. Dann starrte er Kell an und legte den Kopf auf die Seite. »Bist du jetzt fertig, Großvater? Kann ich mir jetzt einen Krug Bier und etwas zu essen holen? Oder möchtest du noch länger über die Verderbtheit und Unreinheit der Welt predigen?«
Kell nickte, und Saark ging wieder in sein Zimmer. Kell wartete vor der Tür, bis Kat herauskam. Sie hielt den Blick gesenkt und huschte rasch in Niennas Zimmer. Kell folgte ihr und holte seine Sattelrolle und seine Axt heraus. »Wir treffen uns unten zum Essen im Schankraum, in etwa zwanzig Minuten. Einverstanden?«
»Ja, Großvater«, antwortete Nienna. Kat sagte nichts.
Kell grunzte und ging hinaus.
»Wie kann er es wagen!«, tobte Kat, sobald sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte.
»Leise, er könnte dich hören!«
»Verdammt noch mal, soll er doch in der Hölle schmoren! Es kümmert mich nicht! Ich brauche seinen Schutz nicht! Er braucht mich nicht wie seine Enkelin zu behandeln, denn ich bin es nicht! Außerdem habe ich schon viel zu lange auf mich selbst aufgepasst, um jetzt plötzlich einen übereifrigen Aufpasser zu adoptieren!«
»Er … er meint es doch nur gut«, erwiderte Nienna.
»Blödsinn! Er ist nur eifersüchtig! Er sieht meinen jungen Körper, meine Hüften, meine vollen Brüste und wünscht sich, er könnte auch ein Stück von meinen saftigen Früchten haben. Das kann er vergessen.«
Nienna starrte Kat an und schüttelte den Kopf. »Das ist vollkommener Unsinn, Katrina.«
»Mag sein. Aber Saark sagt, ich sei wunderschön und könne mir jeden Mann in Jevaiden, Salakarr, Yuill oder Anvaresh aussuchen; und er meint, ich könne mit meiner Schönheit Geld verdienen, einen ganzen Haufen Geld sogar.«
»Und was musst du dafür machen?«
»Ich könnte Tänzerin werden oder reiche Männer ins Theater begleiten. Saark meint, die bezahlen viel Geld dafür, wenn sie dabei eine schöne junge Frau am Arm haben können.«
»Und später in ihrem Bett!«, fuhr Nienna sie an.
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