Kells Legende: Roman (German Edition)
»Bist du wirklich so dumm? Du wärst dann nichts weiter als eine Hure!«
»Vielleicht will ich das ja auch sein!«, schrie Kat, deren Temperament mit ihr durchging. Sie ballte die Fäuste. »Jedenfalls wäre es zumindest meine eigene Entscheidung!«
In diesem Moment trat Saark ein und musterte die beiden jungen Frauen lächelnd. Er war vollkommen verwandelt. Jetzt trug er ein feines, gelbes Seidenhemd mit einem gerüschten Kragen und Manschetten aus weißer Baumwolle. Dazu eine grüne Hose aus Samt sowie hohe, schwarze Lederstiefel. Sein langes, lockiges Haar hatte er geölt und zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Er sah hinreißend aus, wie ein Dandy, ein vornehmer, adliger Geck, ein Freund des Königshauses. Er lächelte, und sein Parfüm erfüllte den Raum mit einem moschusartigen Geruch nach Blumen und Kräutern.
Kat wirbelte herum, und ihr Zorn verpuffte. Sie lächelte Saark an. »Ihr seht … fantastisch aus!«, erklärte sie.
»Woher habt Ihr diese Kleidung?«, erkundigte sich Nienna.
»Ich habe sie von einem Kleiderhändler gekauft. Ich lerne sehr schnell Leute kennen, vor allem dann, wenn ich in eine neue Stadt reite und aussehe wie ein schwindsüchtiger Höllenknecht, der gerade einen ganzen Sündenpfuhl sauber gemacht hat.«
»Kell hat gesagt, wir sollen nicht auffallen.«
Saark grinste. »Das hier ist meine Vorstellung von ›nicht auffallen‹.«
»Aber«, Nienna wählte ihre Worte so taktvoll wie möglich, »Ihr seht außerordentlich … wohlhabend aus. Und dann der Geruch! Was ist das für ein Duft?«
»Das Parfüm des Adels«, erwiderte Saark. »Es heißt ›Moschus des Laffen‹. Es ist wirklich unglaublich teuer. Also, liebe Damen, wollen wir etwas essen?«
»Wir müssen uns noch umziehen«, erwiderte Nienna. »Oder zumindest müssen wir uns den Staub aus unserer Garderobe klopfen.«
»Einen Moment«, erwiderte Saark.
Er verschwand, und Nienna und Kat wechselten einen fragenden Blick. Als er kurz darauf zurückkehrte, hatte er zwei Kleider im Arm, ein gelbes und ein blaues. Beide waren aus Seide, üppig bestickt, und Nienna und Kat klatschten begeistert in die Hände.
»Saark!«, sagte Nienna. »das glaube ich nicht!«
»Sie sind wunderschön.« Kat strahlte; sie ging zu Saark hin, streckte fast schüchtern die Hand aus und strich über die Seide.
»Nur die schönsten Kleider für Schönheiten wie euch«, sagte er grinsend. Seine Augen glänzten, und seine Lippen schimmerten feucht.
»Aber wir können sie nicht anziehen«, sagte Nienna plötzlich. Ihr Lächeln erlosch, und sie stülpte schmollend die Lippen vor. »Kell würde es nicht gutheißen.«
»Zum Teufel mit dem alten Ziegenbock! Ihr seid bis zur Hölle von Daragan gelaufen und wieder zurück; also habt ihr auch verdient, etwas verwöhnt zu werden. Ich kann auf keinen Fall erlauben, dass ihr in diesen zerfetzten Lumpen zum Essen hinuntergeht. Das wäre einfach … unanständig!«
»Danke«, sagte Kat. »Danke.« Ihre Augen glänzten.
»Zieht euch an. Ich erwarte euch unten.«
»Habt Ihr auch etwas für Kell gekauft?«
»Nein. Wenn er wie ein Bettler in Sack und Asche herumlaufen will, ist das seine Angelegenheit. Er will nicht auffallen? Dann soll der alte Sauertopf doch unauffällig bleiben. Ich jedenfalls werde mich amüsieren. Wir wären in Jalder beinahe gestorben, von unseren Abenteuern während der Reise ganz zu schweigen. Und morgen bin ich vielleicht tot. Aber heute Nacht! Heute Nacht, werte Damen, werden wir tanzen!«
Kat kicherte, und Nienna hielt sich ein Kleid vor die Brust und tanzte damit wirbelnd durchs Zimmer. Saark wollte das Zimmer verlassen, drehte sich jedoch unvermittelt herum. Er warf einen vorsichtigen Blick in den Flur, um sich davon zu überzeugen, dass Kell nicht da war, um ihn schon wieder zu verprügeln. Dann zog er eine kleine Phiole aus seiner Manschette und reichte sie Kat.
»Was ist das?«
»Parfüm. Damit du genauso gut riechst, wie du aussiehst.«
Kat entkorkte die Phiole und roch daran. Dann riss sie die Augen auf. »Aber«, sie zuckte mit den Schultern, »wo soll ich es auflegen? Ich habe noch nie zuvor Parfüm benutzt. Großmutter sagte immer, das wäre ein Markenzeichen von Huren.«
»Pah! Sauertöpfische Worte, die nur Frauen äußern, die sich kein Parfüm leisten können. Es heißt ›Blumen des winterlichen Sonnenuntergangs‹ . Ich kannte einmal eine Königin, die es benutzt hat … also glaub mir, es ist etwas ganz Besonderes.«
»Es muss ein Vermögen gekostet
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