Kells Legende: Roman (German Edition)
messingne Nadel, die noch wie ein winziger Dolch in seiner Haut steckte. »Miststück. Was hast du mit mir gemacht?«
»Das ist ein Gift«, sagte Myriam und leckte sich die Lippen, während sie ihn triumphierend anstarrte. »Es wirkt sehr langsam. Es stammt von zwei Trickla-Blumen, von jenseits des Ozeans von Salarl.« Sie legte den Kopf auf die Seite. »Ich nehme an, du hast schon davon gehört?«
Kell nickte und stieß zischend die Luft zwischen den Zähnen aus, als er die Nadel herauszog. Dann starrte er sie an, wie sie schimmernd auf seiner Handfläche lag, von seinem Blut besudelt.
»Also hast du mich getötet«, sagte er, kniff die Augen zusammen, und eine düstere, kaum beherrschte Wut glitt über sein Gesicht.
»Warte!«, fuhr Myriam ihn an und schien auf etwas zu lauschen. Dann starrte sie in den dunklen Himmel hinauf. »Es gibt ein Gegengift.« Sie grinste, und ihr Kopf wirkte im Licht der Sterne wie ein Totenschädel. »Ich habe es versteckt, weit oben im Norden. Bring mich zum Schwarzspitz-Massiv, Kell, dann wirst du leben!«
»Wie lange hab ich noch?«
»Ein paar Wochen höchstens. Aber du wirst immer schwächer werden, Kell. Du wirst leiden, so wie ich leide. Wir werden miteinander verbunden sein, Liebende im Schmerz, und werden gemeinsam in den dunklen Klauen einer immer größer werdenden Qual leiden, während wir beide nach einem Heilmittel suchen.«
»Ich könnte dich jetzt töten, Miststück, und mein Glück versuchen.«
Myriam richtete sich gerade auf und schob ihren Dolch in die Scheide. Sie hob stolz den Kopf, Schneeflocken im Haar. »Dann tu es«, sagte sie und sah Kell an. »Wenigstens haben wir dann diese verfluchte Angelegenheit hinter uns.«
Kell nahm seine Axt vom Rücken, lockerte seine Schultern und trat mit einem Ausdruck reinster und konzentrierter Bösartigkeit auf Myriam zu.
In der Schutzhütte griff Saark an, schlug mit seinem Schwert zu. Styx und Jex reagierten unglaublich schnell, trennten sich urplötzlich. Styx’ Witwenmacher klickte erneut, es knallte, und etwas Unsichtbares zischte durch die Luft, traf Katrina im Hals und schleuderte sie gegen die Wand. Sie wurde an das Holz genagelt, strampelte mit den Beinen, und ihre rauchgrauen Augen wurden unglaublich hell von Tränen, während sie erstickt gurgelte und Blut spuckte. Ihre Finger krallten sich an ihre Brust, ihren Hals und an die riesige, offene Wunde, an das dunkle, schimmernde Messing und Kupfer in ihrer Kehle, und dann, ganz plötzlich …
Starb sie.
Sie sackte zusammen, hing an der Wand, schlaff und blutüberströmt, wie eine angenagelte Puppe, während ihre Beine in einem seltsamen Winkel herunterhingen.
»Nein!«, kreischte Nienna und zückte in einer unbeholfenen Geste ihr eigenes Schwert. »Nein!« Sie stürzte sich auf die Männer.
13
WAHNSINNSMASCHINE
General Graal, Ingenieur und Uhrwerker der Vachine, stand auf einem Hügel und betrachtete die beiden Divisionen im Tal unter ihm; jede bestand aus viertausendachthundert Albino-Soldaten, hauptsächlich Infanteristen. Sie glitzerten im Mondlicht wie dunkle Insekten, diese fast zehntausend bewaffneten Männer, die Hälfte der Eisernen Armee. Sie standen stumm da, in Reihen aufgestellt, und erwarteten seinen Befehl. Die zweite Hälfte seiner Armee war im Norden, im Südwesten von Jalder. Verschiedene Bataillone bewachten die nördlichen Pässe und andere Routen, die durch das Schwarzspitz-Massiv führten. Letztlich bewachten sie den Rückweg ins Silvatal, der Heimat der Vachine. Graal wollte nicht, dass der Feind trotz seiner offenkundigen Ahnungslosigkeit einen Gegenangriff in sein Heimatland führte, während er mit seiner Invasion beschäftigt war. Aber … Graal überlegte. War es ein Fehler, nur mit der Hälfte seiner Armee nach Süden zu ziehen? Er lächelte, denn er wusste, tief in seinem Herzen, dass diese Entscheidung nicht der Überheblichkeit geschuldet war, sondern auf seinem Vertrauen in ihre Technologie fußte. Mit den Schnittern und der Macht der Blutöl-Magie war die Eiserne Armee praktisch … unbesiegbar! Selbst gegen einen Feind, der ihr zahlenmäßig weit überlegen war, und nicht einmal das konnte Falanor bewerkstelligen.
Unbesiegbar!
Und außerdem hatte er auch noch seine Canker.
Lärm hallte durch das Tal, und Graal blickte sich um. Mit seiner ausgezeichneten Sehkraft, die durch die Uhrwerkmechanik nochmals verbessert worden war, bemerkte er die vielen Cankerkäfige, in welchen die unberechenbareren und brutaleren Bestien
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