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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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Jahrzehnt lang war sie stumm geblieben. Aber jetzt, erfüllt von frischem Blut, frischer Magie und frischem Tod, war Ilanna wieder ins Leben zurückgekehrt …
    »Nein!«
    Sie blieben stehen, und Nienna berührte sanft seinen Arm. »Geht es dir gut, Großvater?«
    »Ja.« Seine Stimme klang erstickt, und er betrachtete seine blutsgebundene Streitaxt einen Augenblick lang mit unfassbarem Entsetzen. Ilanna war sehr mächtig und böse und dennoch … er wusste, dass er ohne sie diesen Tag nicht überleben würde, nicht einmal diese Stunde. Er schuldete ihr, diesem verfluchten Ding, verdammt!, er schuldete ihr sein Leben. Er schuldete ihr einfach alles …
    »Es geht mir gut.« Er musste sich zum Sprechen zwingen, presste die Worte zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Kommt. Wir müssen den Fluss erreichen. Dort werden wir uns ein Boot klauen und versuchen, diesem … diesem Horror zu entkommen.«
    »Ich glaube, ihr werdet feststellen, dass der Fluss zugefroren ist.« Die Stimme klang leise und höflich.
    Die Gruppe Albinos war wie Maden aus einer Wunde aufgetaucht, ergoss sich von der Treppe in den langen, niedrigen Gang, der mit auf Hochglanz polierten Möbeln eingerichtet war, die in dem durch die hohen Fenster fallenden eisigen Licht glänzten. Die ganze Szene schien in graues Silber getaucht zu sein: ein Porträt, das sehr fein in Eis geritzt worden war.
    Kell blieb stehen und presste die Lippen zu zwei schmalen Strichen zusammen, während sich seine Gedanken überschlugen. Der Mann, der gesprochen hatte, war groß, geschmeidig und trug eine schwarze Rüstung ohne Rangabzeichen. Er war ein Albino, genau wie die anderen Soldaten, hatte ebenfalls reinweißes Haar und aschgraue Haut; aber dennoch … Kell runzelte die Stirn. Er strahlte eine gewisse Autorität aus, sie wohnte ihm inne, war Teil seines Wesens; und irgendetwas daran stimmte nicht so ganz. Das hier war der Anführer der Albinos. Niemand musste Kell das erst lange erklären. Seine Augen waren blau und glitzerten wie Saphire.
    »Du bist …?«
    »General Graal. Das ist meine Armee, die Eiserne Armee, welche die Stadt Jalder mit Gewalt eingenommen hat und jetzt kontrolliert. Wir haben die Garnison überrannt, den Sommerpalast gestürmt und die Soldaten dort genauso unterworfen wie die Bevölkerung. Und all das unter äußerst geringen eigenen Verlusten. Und doch …«, er lächelte, fletschte die Zähne und trat einen Schritt vor, während die beiden Soldaten, die ihn flankierten, sich nicht rührten. Der General trat an die Spitze seiner Leute, als würde er sich durch seine natürliche Autorität von ihnen abheben. »Und dennoch bist du, alter Mann, ein lästiger Dorn in meinem Fleisch.«
    Kell hatte die anderen Flure inspiziert, die in diesen Gang führten, in der Hoffnung, einen Fluchtweg zu entdecken. Jetzt wandte er sich nach rechts und suchte nach einem Feind. Der Korridor war leer. Er drehte sich herum und musterte den General mit einem stählernen Blick. Der wiederum schien Kell mit heimlicher Belustigung zu beobachten, vielleicht auch mit einer gewissen Verachtung.
    »Ich bitte um Verzeihung«, knurrte Kell und kniff die Augen zusammen, »dass ich mich nicht gleich auf den Rücken gerollt habe und gestorben bin, wie so viele andere Welpen.« Seine Augen blitzten vor Hass. »Wie es scheint, hast du den größten Teil der Bewohner überrumpelt, Graal, dank der Blutöl-Magie, über die du verfügst. Ich bin mir sicher, dass du damit in den Kasernen recht großkotzig prahlen kannst, Graal, der größte Hurenbock von allen, der Scherze darüber reißt, wie er Säuglinge in ihren Betten und Soldaten im Schlaf getötet hat. Pah! Das Tagwerk eines Feiglings.«
    Graal schien von dieser Beleidigung nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Stattdessen legte er den Kopf auf die Seite und beobachtete Kell; sein weiches Gesicht wirkte unverändert gutmütig. »Wie lautet dein Name, Soldat?« Seine Worte klangen wie ein Wiegenlied, weich und verlockend. Komm zu mir, flüsterte diese Stimme. Schließ dich mir an.
    »Kell. Vergiss ihn nicht, Jungchen, weil ich ihn dir in deinen Hintern ritzen werde.«
    »Gewiss, aber heute nicht, fürchte ich. Männer! Tötet sie. Alle.«
    Die beiden Albino-Soldaten, die ihn flankiert hatten, traten vor. Sie bewegten sich mit athletischer Geschmeidigkeit. Kell kniff die Augen zusammen. Diese Männer waren etwas Besonderes, das sah er. Sie waren von tödlicher Professionalität. Er wusste es, weil er in seinem langen,

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