Kells Legende: Roman (German Edition)
selben Moment drang Niennas Schwert von hinten in seinen Rücken ein, ungeschickt, aber wirkungsvoll, zertrümmerte sein Schlüsselbein und grub sich in seine rechte Lunge. Der Albino hustete, drehte sich um und sank auf ein Knie, und das alles gleichzeitig. Dann schlug er mit dem Schwert zu, aber Nienna war bereits zurückgesprungen, und das blutige Schwert glitt ihr aus den Fingern.
Der Albino hustete erneut, ein tiefes, rasselndes Husten, während das Blut in seinen Lungen blubberte und schäumend heraustrat. Er hatte das Gefühl, alles würde vor seinen Augen verschwimmen, spürte aber keinerlei Schmerz. So sollte es nicht enden. Er fühlte, wie die Blutöl-Magie in seinen Adern kribbelte und seine Finger zuckten. Dann sank er auf das andere Knie. Blut stieg in seiner Kehle hoch, füllte seinen Mund wie Erbrochenes und ergoss sich glänzend über seine schwarze Rüstung. Die Welt drehte sich, als hätte er getrunken, sich Blutöl injiziert, es mit dem Vachine vermischt. Er versuchte etwas zu sagen, als er auf den Teppich stürzte, und seine Blicke stierten auf das komplexe Muster. Die Dunkelheit kam, und mit ihr das Gewicht. Es drückte ihn hinab. Er hob den Blick, unfähig, sich zu rühren, und sah Stiefel. Er bemühte sich, mehr zu erkennen, während weißes Blut wie Speichelfäden aus seinem offenen Mund rann. Kell stand vor ihm, die Hand auf den Griff der Axt gelegt, während die beiden Schneiden, die mit Blut und Hautfetzen verschmiert waren, auf dem Teppich ruhten. Kell hielt den Kopf gesenkt, und der Albino hatte den Eindruck, dass seine Augen noch schwärzer als schwarz wirkten; sie sahen aus wie Becken aus tiefdunkler Tinte, die bis in die Unendlichkeit reichten. Kell hob die Axt. Der Albino-Soldat versuchte zu schreien, wand sich in einem letzten, primitiven Instinkt auf dem Teppich und bezeugte damit den Überlebensdrang eines jeden lebendigen Organismus.
Ilanna zischte los. Der Albino rührte sich nicht mehr.
Kell drehte sich um und sah Nienna an. Sie hatte Volgas Kopf in ihren Schoß gelegt. Das Mädchen murmelte etwas, ihr Gesicht war aschfahl und ihre Kleidung von ihrem Blut durchtränkt. Das andere Mädchen, Kat, stand etwas abseits, Augen und Mund weit aufgerissen. Während Kell zusah, verkrampfte sich Volga plötzlich und starb in Niennas Armen.
»Warum?«, kreischte Nienna. Sie riss den Kopf hoch, und der Blick, den sie Kell zuwarf, glühte vor Wut.
Kell zuckte müde mit den Schultern und hob das Schwert eines der Albinos vom Boden auf. Diese Waffe war ungewöhnlich. Der Stahl war schwarz und mit feinen, roten Runen verziert. Er hatte diese Art von Schmiedearbeit bereits gesehen. Angeblich waren die Symbole mit Blutöl in das Metall eingeätzt worden; es war von der Dunkelheit gesegnet, von der Vachine-Religion. Kell riss dem Albino mit einem Ruck die Lederscheide vom Rücken und schlang sie sich über die Schultern. Dann schob er das Schwert in die Scheide und trat zu Nienna.
»Nimm dein Schwert. Wir müssen verschwinden.«
»Ich habe dich gefragt … warum?«
»Meine Antwort darauf lautet darum. Ich weiß es nicht, Mädchen. Vielleicht verspotten die Götter uns. Die Welt ist schlecht. Die Menschen sind schlecht. Volga war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort, aber du lebst, und Kat lebt ebenfalls. Also, nehmt eure Schwerter und folgt mir. Das heißt«, er lächelte grimmig, »wenn ihr weiterleben wollt.«
Nienna trat zu dem am Boden liegenden Albino. Sie packte den Griff des Schwertes, das in seinem Leichnam steckte, und zog daran, bis es schließlich nachgab; mit einem widerlichen Schmatzen löste es sich aus der Leiche. Sie schüttelte sich, und Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie Kell in den Gang folgte. Kat legte ihr eine Hand auf die Schulter, aber Nienna schüttelte diese intime, freundschaftliche Geste ab.
»Wie fühlst du dich?«
Nienna schnaubte verächtlich. »Ich denke, ich habe eben den Glauben an die Götter verloren.«
»Ich habe meinen schon vor langer Zeit verloren.« Kats Blick wirkte gequält. Nienna starrte ihre Freundin forschend an.
»Warum?«
»Das ist jetzt nicht der richtige Moment.« Kat hob ihr eigenes, gestohlenes Schwert. »Du hast deine Sache gut gemacht, Nienna. Ich war wie erstarrt. Als ich Volga so sah …« Sie holte tief Luft und strich ihrer Freundin erneut über den Arm. »Ehrlich. Du warst brillant. Du … du hast uns alle gerettet.«
»Wie das?«
»Dieser Soldat hätte deinen Großvater sonst getötet. Kell hatte keine Waffe
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