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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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über dem Herzen aufgerissen, und die tiefen Bisswunden waren deutlich zu erkennen, schimmerten unter dem träge hin und her wogenden Eisrauch. Saark beugte sich vor und zählte fünf Löcher. Er hielt die Hand über die Wunden. »Wer hat dir das angetan, Kind?«, flüsterte er entsetzt. Dann biss er die Zähne zusammen, und seine Augen wurden härter. Als er aufstand, hob er sein Rapier. »Wer auch immer das getan hat, ich werde ihn finden und ihn töten.« Wut strömte heiß durch seine Adern, und Zorn vernebelte sein Hirn. Der Hass trieb ihn an, Tod wurde sein Gebieter.
    Saark, der Ausgestoßene.
    Saark, der Juwelendieb!
    Einst so stolz, so ehrenhaft … Nein! Er war tief gesunken. Er hatte seine Ehre, seinen Stolz und seine Männlichkeit gegen eine Handvoll wertloser Klunker eingetauscht. Saark lachte, bitter und hohl … wie es seinem Selbstwertgefühl entsprach. Gewiss, er war sehr attraktiv; kräftig, muskulös und unverschämt gut aussehend. Die Frauen überschlugen sich förmlich in ihrem Bemühen, ihn in ihr Bett zu zerren. Aber tief in ihm … ganz tief in seinem Innersten wurde Saark klar, dass er sich selbst verachtete.
    »Du willst seinen Mörder töten? Da brauchst du nicht lange zu suchen, Menschlein.« Die Stimme drang aus dem Eisrauch zu ihm, weich und melodisch. Saark drehte sich um. Da stand sie, riesig, mit Tentakeln aus Rauch, die wie schwebende Zauberamulette um sie herumwirbelten, die gebeugte, weiß gekleidete Gestalt eines Schnitters.
    Die winzigen, schwarzen Augen des Wesens glühten; es hob die Hand, ließ den Ärmel zurückgleiten und enthüllte fünf lange, knochige Finger … die auf Saark zeigten, auf die ungeschützte Brust des Mannes, auf das Herz und das süße Blut, das darin pulsierte …
    Saark trat unwillkürlich einen Schritt zurück, während ihn eine plötzliche Woge von Angst durchströmte.
    »Komm zu mir, mein Kleiner«, schnarrte der Schnitter mit maliziösem Lächeln. Seine schwarzen Augen glühten. »Komm und genieße deine Belohnung.«

2
    EIN DUNKLER SCHLEIER SENKT SICH HERAB
    Vor den hohen, schmiedeeisernen Toren der Jalder-Universität blieb Kell schwer atmend stehen und wischte sich den Schweiß aus den Augen. Er lauschte, und seine Blicke zuckten von links nach rechts. Durch den Eisrauch drangen erstickte Schreie zu ihm. Und auch rechts von ihm, ein Stück unterhalb des Hügels, den er hinaufgestiegen war, schrie jemand. Kell biss die Zähne zusammen, und seine Wangenmuskeln traten hervor; diese Mistkerle ermordeten alle, die ihnen in die Quere kamen! Aber wozu? Welchen verdammten Sinn machte ein solches Gemetzel? Eine Invasion? Wollten sie Geld? War das reine Gier? Oder der Wunsch nach Macht? Kell spie aus und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab.
    Und ich dachte, ich hätte die Tage des Blutes hinter mir gelassen! War der Meinung, meine Zeit als Soldat wäre vorbei.
    Kell grinste, ein breites, blutleeres Lächeln, bei dem er seine vom vielen Kaffee verfärbten Zähne zeigte. Tja, mein Junge , dachte er, offenbar hat jemand andere Pläne mit dir.
    Er hob seine mattschwarze Axt und warf einen kurzen Blick auf die Doppelschneide, die die Form von Schmetterlingsflügeln hatte. Allerdings eines sehr dunklen Schmetterlings; ein giftiger, tödlicher und vollkommen erbarmungsloser Schmetterling. Sie war an Kell durch Blut gebunden. Ilanna. Sein Blutband, seine Seelenschwester, eine Verbindung, die ihm durch uralte Riten und dunkle Blutöl-Magie abgerungen worden war, die durch sein Lebensblut existierte, durch seine Essenz. Ilanna hätte viele Geschichten erzählen können, aber jetzt war nicht der rechte Moment für die Schauergeschichten der Streitaxt.
    Kell bewegte sich vorsichtig über den ausgetretenen Pfad. Man konnte kaum weiter sehen als über die niedrigen Büsche und Winterblumen hinweg, welche den Pfad jenseits des kurz gehaltenen Rasens säumten. Er blieb stehen, als etwas in dem Nebel vor ihm auftauchte: ein Kreis von Leichen, allesamt junge Frauen, jede nur noch eine vertrocknete Hülle, mit Gesichtern, die wie grauenvolle Masken gedehnt schienen und deren Haut so spröde wie Glas war. Kells Herzschlag beschleunigte sich, und er packte seine Axt fester.
    Wenn sie Nienna etwas getan haben … Wenn sie Nienna auch nur ein Härchen gekrümmt haben …
    Er erreichte den Eingang und ging mit abgewandtem Blick an weiteren Leichen vorbei, stieg die steinerne Treppe hoch und rüttelte an den großen Eichentüren: verschlossen. Kells Blick glitt suchend

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