Kells Legende: Roman (German Edition)
nehmen und ihn zwischen dem Meer und den Bergen wie zwischen Hammer und Amboss zerschmettern konnte. Andererseits war nichts im Leben jemals wirklich einfach oder kam wie gerufen, oder?
Die Albinos griffen in einem unheimlichen Schweigen an, und Kell spürte erneut, wie die Furcht sich unter den Soldaten Falanors ausbreitete. Das war keine normale Schlacht, und jedermann spürte, dass Magie im Spiel war; der Boden selbst schien verflucht zu sein.
Die fernen Trommeln schlugen einen komplizierten Rhythmus. Kell versuchte sich an seine alte militärische Ausbildung zu erinnern, begriff jedoch schnell, dass es sinnlos war. Man änderte ohnehin die Codes vor jeder Schlacht, um den Feind zu verwirren und weil man hoffte, dass so kein Spion irgendwelche Informationen aufschnappen konnte. Trotzdem wusste Kell, was passieren würde; Leanoric hatte es ihm erklärt. Sie würden kämpfen und sich dann zurückziehen; sie würden die Albino-Armee in die zerstörte Stadt Alt-Skulkra locken, dann eine panische Flucht vortäuschen und durch die uralten, verlassenen Straßen rennen, in denen fast tausend Bogenschützen warteten, versteckt in hohen Gebäuden und Türmen, um den Feind von oben mit tödlichen Pfeilen einzudecken.
Kell lächelte, während er mit seinen dunklen Augen die angreifenden Albinos betrachtete.
Es war ein guter Plan. Er konnte funktionieren. Auch wenn dieser Plan zuerst beinahe von den unerwarteten Cankern und ihrem Angriff vereitelt worden wäre. Die panische Flucht der Soldaten war um Haaresbreite Realität geworden; wäre das zu früh passiert – bevor die Bogenschützen ihre Positionen bezogen hatten –, wäre die Schlacht verloren gewesen …
Kell sah jetzt die Angreifer und suchte sich seine ersten vier Ziele aus. Seine Schmetterlingsklingen würden schon bald Blut schmecken, und er leckte sich die Lippen, als Adrenalin und … etwas anderes durch seine Adern strömte. Es war Ilanna, deren Essenz wie eine Droge, eine üble Krankheit durch seine Blutbahnen floss, sich mit seinem Blut mischte, in seinem Hirn, seinem Herzen. Seine Seelenschwester, seine blutgebundene Axt stärkte ihn, jenseits jeglicher Sterblichkeit, und er lachte laut über diese wilde Ironie, denn er würde für diese Verletzung seines eigenen Kodex leiden, bezahlen, weil er Ilanna nachgegeben hatte.
Die Soldaten von Falanor brüllten erneut auf, aber immer noch griff die Eiserne Armee stumm an. Kell konnte jetzt schon ihre Augen erkennen, ihre gefletschten Zähne, die mit Juwelen besetzten Ringe, die sie auf ihren bleichen Fingern trugen, das Glänzen ihrer Stiefel, ihrer dunklen Schwerter, und er spannte sich an, machte sich bereit für den ungeheuren Aufprall, den es immer gab, wenn zwei angreifende Armeen aufeinandertrafen …
Die Albinos blieben plötzlich stehen, wie ein Mann, und sanken auf ein Knie. Alle angreifenden Schlachtreihen kamen in der perfekten Präzision eines Uhrwerks zum Stehen. Eine Warnung zuckte durch Kell, und er begriff voller Entsetzen, dass dies ein Trick war; sie hatten gar nicht die Absicht, mit ihrer Infanterie anzugreifen, sondern es war nur eine Taktik, um Zeit zu gewinnen, damit …
Der Eisrauch.
Er quoll von den Schnittern in der Mitte der Reihen der Albinos hervor und strömte innerhalb von Sekunden zu den Reihen der Soldaten von Falanor. »Zurück!«, schrie Kell, »Zurück!« Aber die Bataillone standen zu dicht zusammen, und man konnte ihn auch nicht verstehen, was den Rückzug noch mehr behinderte. Sie stolperten, drehten sich um und zogen sich zurück, aber im selben Moment legte sich der Eisrauch über die Männer, verlangsamte sie augenblicklich. Viele von ihnen sanken auf die Knie und husteten erstickt, während ihre Lungen erfroren. Kell brüllte, weil er sich nicht zurückziehen konnte, und griff alleine an, hämmerte sich durch die Reihen der Albinos, die unbeweglich knieten, die Blicke mit glühend rotem Hass auf die Soldaten von Falanor gerichtet, während Kells Axt nach links und rechts austeilte und Leichen, Körperteile und Köpfe verstreute. Er schrie die Albino-Soldaten an, schrie die Schnitter an, während der Eisrauch weiter strömte, Schwerter an Händen, Schilder an Armen festfroren und knisterndes, weißes Haar in Scherben zu Boden rieselte, während Männer voller Qual umkippten, viele im Todeskampf, die meisten jedoch gefangen in der Umarmung einer dunklen Magie …
Kells Axt zuckte nach links, grub sich in die Augen eines Soldaten. Er riss sie heraus, schlug einen
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