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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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genau das machte ihm Angst. Dann erlosch das Licht.
    König Leanoric kniete im Schlamm, von Kopf bis Fuß in Ketten gelegt. Neben ihm hockten seine Divisionsgeneräle und etliche Hauptleute, die nicht in der Schlacht gestorben waren oder ihr Leben durch die heftigen Nachwirkungen des alles durchdringenden Eisrauchs verloren hatten. Leanoric war vollkommen verzweifelt; er blickte hoch, mit Tränen in den Augen, musterte das von Gefrorenen übersäte Schlachtfeld, die endlosen Reihen der Toten. Seine ganze Armee war ausgelöscht worden, niedergemäht wie Weizenhalme unter den Sensen böser Männer.
    In der Ferne knurrten und schnarrten die überlebenden Canker, aber die Albinos waren trotz ihres leichten Sieges merkwürdig still. Es wurden weder Schlachtlieder gesungen noch wurde trunken gefeiert; sie bauten ihr Lager in vollkommener Stille auf, wie hermaphroditische Arbeiter; wie Insekten.
    Tränen rollten über Leanorics Wangen. Er hatte versagt, es sei denn, seine Divisionen weiter im Norden konnten Graals Armee aus Eisen überraschen und sie mitten in der Nacht vernichten. Die beiden Divisionen wurden von Retger und Strauz kommandiert, zwei alten, mit allen Wassern gewaschenen Divisionsgenerälen, strategischen Experten. Außerdem hatte Strauz noch nie eine Schlacht verloren. Leanorics Mut stieg ein bisschen. Wenn ihre Kundschafter herausfanden, was passiert war, dass die Soldaten des Königs vernichtet worden waren, erstarrt und dann wie Vieh abgeschlachtet worden waren …
    Vielleicht würde er dann seine süße Alloria noch einmal wiedersehen.
    Erneut traten ihm Tränen in die Augen, und er unterdrückte ein Gefühl von Scham. Es war nicht schlimm, wenn ein Mann weinte. Er stand kurz davor, seine Frau zu verlieren, sein Reich, seine Armee und sein Volk. Wie also sollten nicht Tränen fließen, wenn so viel auf dem Spiel stand?
    König Leanoric brauchte ein Wunder.
    Was König Leanoric jedoch bekam, war General Graal.
    Graal schlenderte durch das Lager und blieb vor der Gruppe von Gefangenen stehen. Er zückte ein kurzes, schwarzes Schwert, blickte geradezu verliebt auf die geschmückte, mit Runen überzogene Klinge, und trennte dann mit einem beiläufigen Schlag Terrakon den Kopf von den Schultern. Der Schädel des alten Divisionsgenerals landete auf dem gefrorenen Schlamm, sein grauer Backenbart war mit Blutstropfen überzogen. Leanoric blickte hoch, mit Hass in den Augen. »Mein Volk wird Euch umbringen«, fauchte er. »Das ist ein Versprechen.«
    »Ach, wirklich?«, erwiderte Graal beinahe gelangweilt. Dabei schlenderte er zu Lazaluth und lächelte Leanoric kalt und mit zusammengepressten Lippen an. Er fuhr sich mit der Hand durch sein weißes Haar und richtete seinen Blick dann auf den König. »Diese Drohung höre ich so oft, von den Schwarzlipplern, die ich abgeschlachtet habe, von den Schmugglern von DohgGemDohg-Klunkern, von den Königen eroberter Völker.«
    Sein Schwert zuckte durch die Luft, und auch Lazaluths Kopf rollte in den Schlamm. Auf seinen toten Gesichtszügen war der Schock deutlich zu erkennen. Der Körper sank zu Boden, während das Blut aus den eisigen Halsarterien quoll. Leanoric sah zu, wütend und mit kalter Distanz, und er wusste, ihm war klar, dass er der Nächste sein würde. Aber wenigstens war der Tod schnell … Nur ging es hier zum Teufel nicht um Tod, sondern um sein Volk und ihre bevorstehende Versklavung. Und es war nicht besonders schön, in dem Wissen zu sterben, dass man vollkommen versagt hatte.
    Leanoric betete. Er betete um ein Wunder. Denn ganz sicher konnte nur ein Gott General Graal aufhalten.
    Graal trat zu ihm, hockte sich hin und stemmte die Spitze der schwarzen Klinge in den gefrorenen Schlamm. »Wie fühlt sich das an?«, erkundigte er sich fast beiläufig. »Deine Armee ist zerstört, deine Königin ist nach Norden gebracht worden, zu meinen Ingenieuren, und dein Volk wird sehr bald …«, er lachte, es klang silberhell wie das Klingeln von Windspielen, »es wird uns sozusagen nähren.«
    »Ihr werdet in der Hölle schmoren«, erwiderte Leanoric tonlos. Er versuchte zu schätzen, wie lange es dauern würde, bis seine zurückgekehrten Bataillone über den Hügel marschierten; jetzt zum Beispiel wäre ein höchst passender Moment. Ein Überraschungsangriff? Rettung in letzter Sekunde? Ganz so wie in den Liedern der Barden.
    Graal beobachtete den König, und schließlich begegneten sich ihre Blicke.
    »Du denkst an deine Armee, deine Divisionen, deine Bataillone,

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