Kells Legende: Roman (German Edition)
anderen Kopf ab und sah, wie sich die Schnitter ihm näherten. »Kommt schon, ihr Mistkerle!«, brüllte er, während Ilannas Macht durch seine Adern strömte und er begriff, dass Ilanna allein ihn vor dieser dunklen Magie schützte, wie sie es all die Tage zuvor schon getan hatte, während des Angriffs auf Jalder. Er genoss diese Freiheit, wirbelte herum, sein Bart gespickt mit blutgetränktem Schnee, während er entsetzt auf die Schlachtreihen der Soldaten Falanors starrte, die wie Weizen niedergemäht wurden. Der Eisrauch hatte sich verteilt, hatte sich durch die mittlere Division gefressen und die Reserven vor den Mauern von Alt Skulkra erreicht. Noch während er zusah, krochen die öligen Tentakel des Rauchs in die Stadt hinein. Kell dachte an Nienna und verzog das Gesicht zu einer wütenden Fratze. Er drehte sich wieder herum, als die Schnitter ihn umzingelten, die Köpfe neugierig zur Seite geneigt. Er blinzelte und sah General Graal, der auf ihn zukam, mit einem wissenden Lächeln, als sein Blick dem von Kell begegnete.
Kell stellte seine Axt mit den Klingen zuunterst auf den Boden, umringt von zerstückelten Leichen, und stützte sich auf den Schaft. Sein dunkler Blick war auf Graal gerichtet. Graal blieb stehen und lächelte, ein knappes, humorloses Lächeln.
»Wir sollten wirklich aufhören, uns immer unter solch unerfreulichen Umständen zu treffen, Kell.«
Kells Lachen klang spröde, hohl. »Sieh an, sieh an, Graal, der Feigling, Graal, der Hurenbock, der seine armselige kleine Magie benutzt, um seinen Arsch zu retten. Es ist schön zu sehen, dass einige Dinge sich niemals ändern.«
»Ist alles nur Mittel zum Zweck«, erwiderte Graal und starrte ihn an.
»Erinnerst du dich noch, was ich zu dir gesagt habe, Jungchen? In Jalder?«, erkundigte sich Kell. Graal sagte nichts, aber seine Augen funkelten. »Ich habe dir gesagt, du sollst dich an meinen Namen erinnern, weil ich ihn dir in deinen Hintern ritzen würde. Nun, mir scheint, das ist jetzt genau der richtige Moment …«
Kell reagierte so schnell, dass er nur ein Schemen zu sein schien, und Graal taumelte verblüfft zurück, während sich gleichzeitig die Schnitter auf Kell stürzten. Ein Strahl von konzentriertem Eisrauch traf Kell und blendete ihn für einen Augenblick. Eisige Magie durchtränkte seine Haut, sein Herz und seine Knochen, alles wurde strahlend hell, und er war betäubt, stürzte und fiel in einen verblüffend funkelnden, weißen Tunnel, der kein Ende zu haben schien …
Für immer.
Nienna trieb ihr Pferd an, galoppierte über den Schnee. Dampf stieg von den Flanken des Tieres auf, als sie sich den Hügel hinauf zu dem Wald kämpfte, wo Saark, Styx und Jex warteten. Myriam war dicht hinter ihr, und auch ihr Pferd war schweißüberströmt. Die beiden Frauen galoppierten durch den Frühnebel, während der Schnee um sie herumwirbelte und die ganze Welt zu verbergen schien.
Nienna zügelte ihr Pferd zu einem gemäßigten Galopp, als sie sich dem Wald näherten, und blieb schließlich stehen. Sie bückte sich und starrte zwischen die Bäume, konnte aber nichts sehen. »Saark?«, zischte sie und wiederholte dann lauter: »Saark?«
Ein Stück weiter vor ihr tauchte Styx auf. Er lächelte und winkte. Nienna ritt zu ihm und stieg ab, ohne ihren Blick von dem Mal der Schwarzlippler zu nehmen, seinen dunklen Lippen.
»Wo ist Saark?«
»Weiter oben im Wald. Wir haben ein Lager aufgeschlagen. Komm schon, bevor feindliche Späher dich sehen.«
Myriam stieg hinter ihnen ab, und sie führten ihre Pferde in den dämmrigen Wald aus Silberfichten. Tauben gurrten in der Ferne, dann war alles still. Ihre Schritte wurden von den Nadeln am Boden gedämpft.
»Da oben.« Styx führte sie über einen alten Wildpfad, und sie gelangten an eine kleine Lichtung, wo eine uralte, umgestürzte Kiefer als eine natürliche Bank diente. Jex saß an einem kleinen Kochfeuer, und Nienna sah sich um.
»Wo ist er?«
Der Schlag traf Niennas Hinterkopf, und sie spürte, wie ihr Gesicht in Fichtennadeln und Lehm landete, aber sie hatte keine Schmerzen. Sie erinnerte sich an den Duft von Kiefernharz, Erde, altem Schlamm und vergammelndem Holz. Als sie schließlich erschöpft blinzelte und wieder zu sich kam, registrierte sie, dass sie gefesselt war. Ihr Rücken lehnte gegen die umgestürzte Kiefer. Sie stöhnte.
»Da ist ja einer wieder unter den Lebenden«, grinste Styx, der vor ihr hockte. Nienna spie ihm ins Gesicht, und sein Grinsen erlosch. Er hob die Hand,
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