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Kells Rache: Roman (German Edition)

Kells Rache: Roman (German Edition)

Titel: Kells Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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dunklen Wasserschichten. Sie spürte den Druck, hörte das Ächzen, als die Ingenieurbarke sich verbog, zusammengepresst wurde, sich zusammenfaltete. Anukis hockte sich tiefer hinein, rollte sich zu einem Ball aus foetaler Angst zusammen, dann ertönte ein Krachen, Eisen zerfetzte, etwas traf ihr Gesicht, und die Dunkelheit schlug über ihr zusammen, so wie Meerwasser in ein sinkendes Schiff flutete. Dann konnte Anukis sich an nichts mehr erinnern.
    Das Wasser eines dunklen Sees schlug plätschernd an einen dunklen Strand. Es regnete. Fette Tropfen fielen prasselnd auf den See. Anukis öffnete blinzelnd die Lider. Sie hatte das Gefühl, dass sie gleich zerreißen müssten, so sehr dehnten sie sich. War sie tot? Dann jedoch überkam sie der Schmerz, als wäre sie von einem eisernen Ruder getroffen worden. Ihr wurde klar, dass sie nicht tot sein konnte. Denn ihr Körper tat viel zu weh, und nach ihrer Erfahrung empfand man einen solchen Schmerz nur, wenn man am Leben war. Sie fauchte leise, ihre Reißzähne fuhren heraus, doch dann zog sie sie wieder ein. Auch dies sagte ihr, dass die Welt um sie herum real war. Nur Menschen konnten so etwas wie Vachine erfinden.
    Sie stützte sich auf die Ellbogen und lauschte, hörte jedoch nichts anderes als das Plätschern von Wasser und das Prasseln des Regens. Sie runzelte die Stirn. War sie denn nicht in einem Berg? Plötzlich drang ein sanftes Rauschen an ihre Ohren, sachte, als würde es sich nur zögernd aus einem Traum lösen. Sie blickte hoch und öffnete vor Staunen unwillkürlich den Mund. Über ihr wirbelte der Vrekken, riesig, düster, ein Strudel … am Himmel. Schwarz und blau und golden, gelegentlich von Violett durchzogen. Der Regen fiel aus diesem mächtigen Strudel. Anukis erhob sich auf die Knie, dann stellte sie sich hin. Ihr ganzer Körper schmerzte, jedes Gelenk protestierte, und doch waren ihre Augen wie gebannt auf diesen wahrhaft erstaunlichen und glorreichen Anblick hoch über ihrem Kopf gerichtet. Lange Minuten stand sie da, und alles andere war vergessen. Dann jedoch kam Anukis allmählich wieder zu sich, ihr umnebelter Verstand klärte sich und sie konzentrierte sich auf die Gegenwart. Sie blickte nach rechts, wo etwas zusammengeknüllt am dunklen Ufer des Sees lag. Unwillkürlich setzte sie sich in Bewegung; ihre weichen Stiefel hinterließen auf den glitschigen nassen Felsen keinerlei Geräusche. Sie schrak zusammen, als sie den zerknüllten Gegenstand erkannte: die Ingenieursbarke! Sie war zu einem wirren Ball aus Metall zerquetscht worden, als hätte die mächtige Faust eines Giganten sie gepackt und zusammengepresst. Anukis blickte hastig an sich herunter, als hätte sie einen Moment befürchtet, sie selbst wäre ebenfalls zerquetscht worden. Doch das war sie nicht. Und abgesehen von einem dumpfen Pochen in ihren Knochen fühlte sie sich gut. Es fühlte sich an, als hätte man ihr Skelett verprügelt, ohne dass ihr Fleisch und ihre Haut davon in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Sie fühlte sich nicht nur gut. Sie fühlte sich … belebt!
    Sie war froh, am Leben zu sein.
    Sie blieb stehen und sah sich um, fragte sich, ob dies hier wohl Nonterrazake war, diese fabelhafte, mythische Unterwelt und, was weit wichtiger war, das heimliche Zuhause der Schnitter. Sie ging zu einer Mauer, die parallel zum Ufer des Sees verlief. Dann marschierte sie los, rasch und ein wenig gehetzt. Denn eines war ganz klar: Sie war ganz bestimmt hier unten gefangen, an diesem unterirdischen Ort. Und es gab keinen Weg, wie sie aufsteigen und durch den Vrekken wieder zurückkommen konnte. Also war das hier eine Reise ohne Rückkehr.
    Sie blieb neben einem schmalen Tunnel in der Mauer stehen. Er war so niedrig, dass sie würde hindurchkriechen müssen. Also ließ sie sich auf Hände und Knie nieder und spähte in den Gang hinein. Sie sah ein Licht, ein fernes, unheimliches Glühen, und kroch in den Tunnel. Allmählich schien der Berg unter ihren Händen und sogar über und um sie herum zu verblassen, durchlief eine allmähliche Veränderung von Schwarz über Grau bis schließlich hin zur Farbe von Elfenbein: die Farbe von alten, verblichenen Knochen. Der Fels unter ihren Händen war nicht mehr schwarz, sondern weiß und grobkörnig. Ihre Nasenflügel zuckten, denn sie konnte frische, kühle Luft riechen. So gelangte sie in einen größeren Gang und sah sofort, dass sie sich in einem Geflecht aus Tunneln befand, die scheinbar willkürlich von dieser Stelle abgingen. Anukis

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