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Kells Rache: Roman (German Edition)

Kells Rache: Roman (German Edition)

Titel: Kells Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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schluckte. Sie stellte sich vor, wie sie in diesem Labyrinth immer weiter hinabging, für immer, oder jedenfalls so lange, bis sie Hungers starb.
    Sie wählte willkürlich einen Gang aus und schritt über den rauen Knochenboden, während sie mit der Hand über die glatte Wand strich. Dabei überlegte sie angestrengt. Dann blickte sie hoch; die Decke des Gangs war weit entfernt, riesig, und die kühle Luft drang von oben herunter. Sie liebkoste ihre Haut, tröstend, wie der Seufzer eines Geliebten.
    Anukis unterdrückte ein gequältes Lachen. Diese Art Leben war für sie vorbei. Es hatte geendet, als Vashell sie … missbraucht hatte.
    Vashell. Sie erinnerte sich an seine Liebe. Seine freundlichen Worte. Und an seinen Hass, seine Brutalität. Seine Schläge. Wie er sie geliebt hatte. Und sie genommen hatte. Sie lächelte. Es gab da einen Unterschied, einen sehr großen Unterschied. Dann erinnerte sie sich an ihre Mission, ihre Reise, ihren Kampf. Sie dachte daran, wie sie ihm die Haut seines Gesichts heruntergerissen hatte, ihn blutend und so verunstaltet zurückgelassen hatte, dass ihn niemand mehr erkennen konnte. Denn ihre neu erwachte Vachine-Dominanz hatte ihr viel Macht verliehen.
    Wo bist du jetzt, Geliebter?, dachte sie. Es gelang ihr nicht, die Verbitterung aus ihrem Verstand fernzuhalten.
    Sie ging weiter. Es hätten Stunden oder sogar Tage sein können, denn hier unten an diesem knochenweißen Ort, an diesem Ort aus Höhlen und Spalten und Gängen schien die Zeit keine Bedeutung zu haben. Obwohl dieses seltsame unterirdische Labyrinth von Nonterrazake verlassen war und stumm, konnte Anukis sich nicht des Gefühls erwehren, dass sie beobachtet wurde.
    Immer wieder drehte sie sich um, schnell, wirbelte mit der übermenschlichen Geschwindigkeit einer Vachine herum und ging in die Kampfhocke. Sie hatte die Reißzähne ausgefahren und die Klauen zum Kampf ausgestreckt. Aber jedes Mal sah sie nur weiße, schimmernde Knochen.
    Ich bin nicht allein, sagte sie sich und fühlte sich irgendwie paranoid.
    Ich bin nicht allein …
    Sie beobachteten sie. Hunderte von ihnen. Schweigend glitten sie durch das Labyrinth. Hier, an diesem Ort, waren sie nahezu unsichtbar. Dies waren die Knochenhallen, der Ort, der sie hervorgebracht hatte, der Platz, an dem ihnen das Leben geschenkt worden war.
    Sie waren die Schnitter. Und dies hier war ihre Welt.
    Die Schnitter beobachteten Anukis neugierig, denn nur sehr wenige Kreaturen schafften es lebendig durch den Vrekken. Sie fragten sich, welche Elemente der Blutöl-Magie sie wohl in ihrer Seele mit sich trug, um dies bewerkstelligen zu können. Andererseits … sie war Kradek-kas Tochter, was an sich vieles erklärte. Die durch die Gänge schwebenden Schnitter in ihren geschmückten Roben aus weißen und goldenen Fäden lächelten.
    Sollen wir sie töten? Die Frage pulsierte durch den Knochen. Es war ein kollektiver Verstand, ein Nest-Geist, den alle teilten. Die Frage war nicht an irgendeinen Schnitter gestellt, sondern an die intelligente Welt des Knochens rund um sie herum. Sie dachten gleichzeitig dieselbe Frage, als wären sie Klone, und die Antwort, die ihnen flüsternd gegeben wurde, kam aus den knochigen Wurzeln des Berges, unter dem sie herrschten: Skaringa Dak. Der Große Berg.
    Nein. Sie soll ihren Vater finden. Sie sollen sich unterhalten.
    Sie hat viel zu lernen.
    Sie muss viel verstehen.
    Die Schnitter erlaubten ihr weiterzugehen. Es waren jetzt Tausende dieser Wesen, von der Neugier aus ihrer Vereinigung mit den knochigen Wänden und Säulen hervorgelockt und dem süßen Duft ihres Blutes sowie dem noch stärkeren Aroma ihrer Seele. Sie schwebten wie Geister durch die Gänge, die langen, schlanken Finger ausgestreckt, als würde die Präsenz ihrer Körperflüssigkeiten sie foltern. Doch An ukis sah sie zu keinem Zeitpunkt, denn an diesem Ort waren die Schnitter genetische Chamäleons.
    Ahnungslos wurde Anukis stets dirigiert. Schließlich fand sie sich in einer kleinen Höhle wieder, einer runden Öffnung, einem breiten, weißen Raum, der mit Teppichen und einem Tisch eingerichtet war. Regale standen an den Knochenwänden, und in jedem einzelnen stand eine winzige Uhr. Sie alle tickten, und sie alle waren transparent, so dass eine Million Rädchen wie eines surrten, eine Million Zahnräder winzige, klickende Umdrehungen machten. Anukis blinzelte, denn dieser Anblick war vollkommen irreal, so irreal, wie sie es sich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hätte

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