Keltengrab: Thriller (German Edition)
überlegte, ob Mona vielleicht lederne Fußbekleidung getragen hatte. Wenn ja, könnte diese überlebt haben. Aber ich wusste nicht einmal, ob ihre unteren Gliedmaßen noch intakt waren.
Vor dem Verlassen des Geländes war ich in die Führerkabine geklettert, um ein Foto der Fundstelle zu schießen, die ich mit Messlatten ausgesteckt hatte. Unter mir begann Sherrys Team, eine Plastikplane um den Torf zu packen, während er selbst den zweiten Insassen der Schaufel untersuchte. Hundert Meter entfernt glitt der Boyne wie schwarzes Öl an schneebedeckten Ufern vorüber, und die flache Kuppel von Newgrange krönte einen Hügel, der sich hinter dem Fluss erhob. Ihre Quarzfassade schimmerte im Dämmerlicht fast ebenso weiß wie der Schnee um sie herum.
Ich stieg wieder nach unten, und Sherry kam um den Bagger herum. Er beugte sich nahe an mein Ohr und sagte leise: »Dieses Wesen … Ich glaube, es könnte ein Sprössling von unserer Dame im Moor sein.«
4
Frances McKeever war seit dem Kindergarten meine Freundin. Körperlich hatten wir nur die blasse Haut gemein, die bei ihr jedoch von Sommersprossen gesprenkelt war. Sie war außerdem rothaarig, grünäugig und hoch gewachsen. Ich war nichts von alledem.
Fran arbeitete als Altenpflegerin und musste allein zwei Kinder im Teenageralter großziehen. Sie hatte mich am Vortag angerufen, um sich vor Weihnachten noch zum Mittag- oder Abendessen mit mir zu verabreden, und ich hatte einen Rückruf versprochen, ihn aber vergessen.
»Es ist immer das Gleiche in der Weihnachtszeit«, sagte sie. »Wir sehen uns seltener als das ganze restliche Jahr.«
Wir stiegen die Treppe vom Chor hinab, Fran eine Stufe unter mir, so dass unsere Gesichter mehr oder weniger auf gleicher Höhe waren.
»Hast du Tag- oder Nachtschicht?« Es war nicht so einfach, sich mit Fran zu verabreden, die viel außerhalb der normalen Zeiten arbeitete.
»Ich habe dieses Wochenende Nachtschicht, von Freitag bis Sonntag, und dann die ganze Woche frei. Am Weihnachtstag trete ich dann abends wieder zum Dienst an. Keine üble Regelung, oder?«
»Dann verpasst du also die Probe am Samstag?«
»Ja. Aber ihr kriegt das bestimmt ohne mich hin.«
»Okay, lass mich überlegen …«
»Wie wär’s, wenn du bei einem Drink überlegst? Wir könnten auf dem Heimweg schnell einen kippen.«
»Tut mir Leid, Fran. In der Nähe von Newgrange wurde eine Moorleiche gefunden …«
»Hab ich in den Nachrichten gehört. Hast du damit zu tun?«
»Ja, und es wird mich heute Abend noch auf Trab halten. Ich mache gleich einen Besuch bei Finian, um seine Meinung einzuholen.«
Fran schnaubte verächtlich. Sie hielt nicht viel von Finian Shaw. »Ach, Finian … Der soll mal endlich pissen oder vom Pott gehen.« Nach Frans Überzeugung spielte er nicht nur mit meinen Gefühlen, sondern blockierte auch meine Chancen, einen anderen Mann abzubekommen, wie sie es nannte.
»Charmant formuliert, wie immer.«
»Also gut. Was hältst du von Mittagessen bei Walter’s am Montag?«
»Einverstanden.«
»Diese Wiese ist eine Anomalie«, sagte Finian, und seine stahlgrauen Augen leuchteten vor Begeisterung über seine Entdeckung. »Ein rechteckiges Stück Sumpf, das ganz isoliert liegt, umgeben von fruchtbaren Weiden. Aus der Luft muss es aussehen wie ein Flicken auf einer Patchworkdecke.«
Finian Shaw war mein Freund und Mentor. Ursprünglich Geschichtslehrer und Volkskundler, hatte er die Lehrtätigkeit für seine Hauptleidenschaft aufgegeben – Gartenbau. Allerdings handelte es sich hier nicht um ein Hobby, bei dem er in ein paar Blumenrabatten herumwerkelte. Finian hatte auf Brookfield, dem Hof der Familie, auf dem er aufgewachsen war, einen berühmten Garten geschaffen, der Besucher aus aller Welt anzog.
Finians Haar und der kurz gestutzte Bart waren schwarz, mit Silber durchsetzt, und waren es schon gewesen, als er mich auf dem Gymnasium unterrichtete. Er hatte ein schwarzes Polohemd und graue Chinos an. Außer seiner Arbeitskluft trug er kaum je etwas anderes als Schwarz oder Grau, in völligem Kontrast zu der Farbenpracht, die er auf Brookfield zum Erblühen brachte. Aber um diese Jahreszeit lag der Garten brach, und Finian wusste nichts mit sich anzufangen. Ich konnte mir also seine Kenntnis der Grafschaft und ihrer Geschichte zunutze machen.
Er hatte eine Karte des Landesvermessungsamts vom Boyne-Tal zwischen zwei Bücherstapeln auf einem niedrigen Tisch ausgebreitet. Der Tisch stand in der Mitte eines großen Raums
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