Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
Vorhängen aus chinesischer Seide und Lammfellteppichen ausgestatteten Boudoir der mysteriösen Unbekannten mehrere Kameras und jede Menge Wanzen versteckt sein könnten. In seinem Zustand wäre das auch ein bisschen viel verlangt gewesen, hatte er doch seine liebe Mühe gehabt, eine Flasche Raymond Boulard zu köpfen, mit seiner Eroberung anzustoßen und nach etlichen vergeblichen Versuchen den Reißverschluss ihres malvenfarbenen Kostüms zu öffnen.
»Würdest du mir einen Gefallen tun, Süßer?«, hauchte ihm der brünette Vamp schließlich ins Ohr, ausgerechnet in dem Moment, als sich Ernst Blaschkowitz aus Kreuzberg am Ziel seiner Wünsche wähnte. »Es soll dein Schaden nicht sein.«
»Jeden!«, versprach Blaschkowitz, trunken vor Glück, eine halb nackte Venus in seinen Armen zu halten, die ihn mit sanfter Gewalt auf ihr vergoldetes Messingbett zubugsierte. Und noch einmal: »Jeden.«
*
»Aber das hab ich Ihnen doch alles schon gesagt«, lamentierte der völlig konsternierte, aus allen Wolken gefallene Buchhalter immer und immer wieder und klammerte sich mit aschfahler Miene am Bettgestell fest. »Ich … habe keinen blassen Schimmer, wie sie heißt.« Im Kopf des in sich zusammengesunkenen und wie ein Häuflein Elend auf der Bettkante vor sich hinstierenden Möchtegern-Gigolos hörte es nicht auf zu rumoren, sodass er sich kaum auf seine Umgebung konzentrieren konnte. Das galt sowohl für den käseweißen Jungspund auf dem Chippendale-Sofa gegenüber wie auch für seinen Begleiter, einen grimmig dreinblickenden und pockennarbigen Afroamerikaner mit Sonnenbrille. »Das können Sie mir glauben.«
Offenbar war jedoch genau das nicht der Fall. »Oder woher sie kommt«, leierte der muskulöse CIA-Agent, der anscheinend jede freie Minute im Kraftraum verbrachte und sich allein schon deshalb von seinem Begleiter auf dem Chippendale-Sofa unterschied. »Na ja, wenigstens kennen Sie ihren Vornamen. Für den Anfang gar nicht mal so schlecht.«
»Anfang?«
»Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Mann. Falls Sie vorhaben, uns aufs Kreuz zu legen, wird das ernsthafte Konsequenzen haben, kapiert?«
»Konse … «, lallte Blaschkowitz, wagte es jedoch in Anbetracht der rüden Zurechtweisung nicht, weitere Fragen zu stellen. »So glauben Sie mir doch –«, beteuerte er stattdessen mit verzweifelter Miene, »sie ist eine Zufallsbekanntschaft. Mehr nicht.«
»Sehe ich das richtig: Sie behaupten, Ihre Gönnerin am gestrigen Abend zum ersten Mal gesehen zu haben?«, fragte der Pockennarbige, verschränkte die Arme und lehnte sich an die rot-weiß gestreifte Wand, an der ein Gemälde mit einer splitternackten Rokoko-Nymphe hing. »Das meinen Sie doch wohl nicht im Ernst.«
Im Begriff, Kontra zu geben, öffnete Blaschkowitz den ausgedörrten, nach Alkohol riechenden Mund.
Und überlegte es sich im letzten Moment anders.
Sein Gesprächspartner sah es mit Genugtuung, warf einen beiläufigen Blick auf das Gemälde und sagte: »Schon gewusst, dass die Dame, mit der sie sich vor einer Stunde vergnügt haben, in Wahrheit eine KGB-Agentin ist?«
Blaschkowitz verneinte.
»Tatsächlich?«
Verneinte abermals, ließ das Kinn auf die Brust sacken und schwieg.
»Eine Frage, Herr Blaschkowitz. Trifft es zu, dass Sie bis vor gut drei Jahren DDR-Bürger waren?«
»Ja.«
»Aus Frankfurt an der Oder?«
»Richtig.«
»Ehemaliges FDJ-Mitglied, im Anschluss daran Verwaltungsangestellter in einer LPG 16 ?«
»In der Tat.«
»Mitglied einer Delegationen, welche sich aus Anlass des zehnjährigen Bestehens Ihres Betriebes zu einem Freundschaftsbesuch in Moskau aufhielt?«
»Sagen Sie, worauf wollen Sie eigentlich …«
»Sie reden, wenn Sie gefragt werden, klar? Haben Sie sich in der Sowjetunion aufgehalten – ja oder nein?«
»Ja.«
»Sind Sie im Anschluss daran von der Stasi angeworben worden – ja oder nein?«
»Jawohl. Woher …?«
»Kurz darauf Flucht in den Westen, Heirat und Tätigkeit als Buchhalter?«
Ein überraschter Augenaufschlag, konfuse Blicke, danach Stille.
»Und Sie wollen uns weismachen, Sie hätten die Dame, die sie vor gut zwei Stunden aufgegabelt haben, zum ersten Mal gesehen! Kommen Sie schon, Blaschkowitz – das meinen Sie doch nicht ernst, oder?«
»Was wollen Sie von mir?«
»Sehen Sie, so kommen wir der Sache schon näher.« Ein verächtliches Schmunzeln im Gesicht, stieß sich der CIA-Agent von der Wand ab und tippelte im Stil eines Revue-Tänzers auf Ernst Blaschkowitz zu. »Freut mich,
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