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Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Titel: Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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fünf. Auf die Minute pünktlich. Jetzt fehlte nur noch sein Kurier.
    Und das nötige Quäntchen Glück.
    Im Freien, auf dem gähnend leeren Bahnsteig, dämmerte bereits der Morgen, und während er den Blick über die triste Szenerie schweifen ließ, dachte er zunächst, es sei etwas schiefgegangen. Dann aber, als der Zug anfuhr, hörte er Schritte. Schritte, die verrieten, dass der Unbekannte, welcher sich ihm von hinten näherte, an Übergewicht litt. Und dass er es eilig hatte. Verdammt eilig sogar.
    Na, wer sagt’s denn, dachte er erleichtert, Sieg auf der ganzen Linie! Der Fahrgast mit dem südländischen Teint, wie aus dem Ei gepellt und trotz fortgeschrittenen Alters ohne die geringste Spur von Grau in der pechschwarzen, nach hinten gekämmten Mähne, lehnte sich entspannt zurück. In den vergangenen 24 Stunden war er ununterbrochen auf Achse gewesen, aus Sorge, enttarnt und dem KGB oder der Stasi ans Messer geliefert zu werden. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt, mehr als einmal sein Leben riskiert und aus der Kontaktperson, auf die er seine Bemühungen konzentriert hatte, jede Menge brisante Informationen herausgeholt. Überaus brisant, um es akkurat auszudrücken. Er selbst war so überrascht gewesen, dass er sich das, was in weniger als 24 Stunden über die Bühne gehen würde, nie und nimmer hätte vorstellen können. Eine Mauer quer durch Berlin, mitten durch eine dicht besiedelte Stadt mit knapp drei Millionen Einwohnern. So etwas hatte es noch nie gegeben, und er fragte sich, was die Alliierten, insbesondere seine Regierung, dazu sagen würden. Vor allen Dingen natürlich die Zentrale in Langley 17 , an die er vor gut zwei Wochen den letzten Funkspruch abgesetzt hatte. Dies war auf die denkbar einfachste Weise geschehen, durch das Codewort ›Torgau‹. Im Klartext hieß das, es sei auf sowjetischer Seite derzeit mit keinerlei militärischen Aktionen gegen Westberlin und somit auch nicht mit dem wie auch immer gearteten Ernstfall zu rechnen. Dank seiner Quellen, die einmal mehr reichlich gesprudelt waren, konnte der Zarewitsch diesbezüglich absolut sicher sein. Im Gegensatz zu den üblichen Drohgebärden legte es Chruschtschow offenbar nicht darauf an, mit Kennedy die Klingen zu kreuzen und sein jahrelanges Vabanquespiel auf die Spitze zu treiben. Dazu fehlte ihm vermutlich doch der Schneid. Alles, worauf es den Russen anscheinend ankam, war, den am Tropf hängenden Satelliten namens DDR aus der Patsche zu helfen, und das bedeutete, dass Moskau die Zustimmung zum Bau einer Mauer mitten durch Berlin gegeben hatte.
    Eine Mauer. Beim Gedanken daran konnte sich der Zarewitsch ein verächtliches Schnauben nicht verkneifen. Auf den ersten Blick war das natürlich reiner Wahnsinn, besonders, was das künftige Zusammenleben der Berliner betraf. Nach reiflicher Überlegung war er jedoch zu dem Schluss gekommen, dass die Gefahr eines Weltkrieges, die in den vergangenen Monaten deutlich zu spüren gewesen war, damit gebannt und Kennedy, beileibe kein Hardliner, fürs Erste aus dem Schneider war. Blieb also nur noch die Frage, wem die Aufgabe zufallen würde, dem Präsidenten die frohe Kunde zu überbringen. Er, der Agent für schwierige Missionen, hatte jedenfalls das Seine getan, und wenn er darüber nachdachte, was der Welt erspart bleiben würde, konnte er mit sich zufrieden sein.
    Bis vor gut acht Jahren selbst noch sowjetischer Geheimdienstoffizier, kannte sich der Mittvierziger mit der mediterranen Hautfarbe in der Agentenszene bestens aus, ein Grund mehr, weshalb seine Widersacher letztendlich den Kürzeren gezogen hatten. So leicht konnte man ihm, dem Ex-Major des MGB 18 , nichts vormachen, weder die Stasi noch der aufgeschwemmte, buchstäblich aus den Nähten platzende Rausschmeißertyp, der wie ein Elefant durch den Waggon trampelte, ihn scheel ansah und sich anschließend auf den gegenüberliegenden Fensterplatz fläzte.
    »Summertime!«
    Der Mittvierziger, mit dunklem Maßanzug, dazu passender, rot-weiß gestreifter Seidenkrawatte und Diorhemd bekleidet, verzog das gebräunte, bis auf ein paar winzige Grübchen faltenfreie Gesicht, aus dem die dunklen Augen und die leicht geschwungene Nase besonders hervorstachen. Um zu erkennen, mit wem er es hier zu tun hatte, bedurfte es keiner hellseherischen Fähigkeiten, es sei denn, er hätte noch nie einen Amerikaner gesehen. »And the livin’ is easy. 19 «
    »Fish are jumpin’, and the cotton is high«, entgegnete der Fettwanst prompt und kam ohne

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