Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
weiser Entschluss.«
»Du sagst es, Juri.«
»Auf bald, Brannigan – und pass auf dich auf.«
»Du auch, Juri«, erwiderte Brannigan, zog Kuragin an sich und umarmte ihn so stürmisch, dass Letzterer nicht wusste, wie ihm geschah. »Du weißt doch, alter Junge, Unkraut vergeht …«
Von Natur aus eher reserviert, unternahm Kuragin den Versuch, sich aus der Umarmung des einstigen Mentors zu lösen, als er auf einmal ein weithin hörbares Knacken vernahm, welches die Stille ringsum jäh durchbrach, ließ er von seinem Vorhaben ab. Im gleichen Moment fegte eine MG-Salve über die Waldbühne hinweg, ohrenbetäubend, mehr als 600 Schuss pro Minute. Das nicht enden wollende, nervenzerfetzende und markerschütternde Stakkato im Ohr, zog Kuragin den Kopf ein und verkrallte sich im von Kugeln durchsiebten Rumpf des Mannes, der stets so etwas wie sein Beschützer gewesen war. Erst als seine Hand auf etwas Klebriges, Feuchtes und Warmes traf, das mit Macht aus Brannigans Rücken hervorschoss, kam er wieder zur Besinnung.
Eine AK-47 39 !, durchzuckte es ihn, die Hände voller Blut. Tja, Genossen, knapp 20 Jahre sowjetischer Geheimdienst hinterlassen ihr Spuren.
Genau wie acht Jahre CIA.
Auf die Frage, wer den Körper von John Landon Brannigan mit zwei Dutzend oder mehr Kugeln durchsiebt hatte, verschwendete Kuragin keinen Gedanken. Das war jetzt nicht das Problem. Die Frage war, wie lange der Heckenschütze, der auf Brannigan angesetzt worden war, zum Nachladen seiner Kalaschnikow brauchen würde.
Und ob sein Komplize, dessen Schritte er hinter sich vernahm, so dilettantisch war, wie er sich anstellte.
Den Finger am Abzug seiner Tokarew, ließ Kuragin den Körper seines Mentors aus den Händen gleiten und wirbelte herum. Keine zehn Meter von ihm entfernt, inmitten der monumentalen Bühnenaufbauten, konnte er die Silhouette eines Mannes erkennen, der ihm auf Anhieb bekannt vorkam. Viel Zeit zum Nachdenken blieb indes nicht, wenn überhaupt, nur Bruchteile von Sekunden. Kuragin zögerte keinen Augenblick. Kaum war Brannigan in sich zusammengesunken, krümmte sich sein Finger um den Abzug seiner Tokarew, mit der er auf das rechte Bein seines Widersachers zielte. Der wiederum, überrascht über seine blitzschnelle Reaktion, hielt ebenfalls eine Pistole in der Hand, kam aber einen Wimpernschlag zu spät. Ein Schuss hallte durch die Nacht, und noch während Kuragin durchatmete, bäumte sich Jermaine Ross, Bissels rechte Hand, plötzlich auf. Die Hand an den Oberschenkel gepresst, begann er unkontrolliert hin und her zu torkeln, ein, zwei Schritte nach rechts, dann wiederum nach links, wie ein Alleinunterhalter, der versucht, sein Publikum bei Laune zu halten. Die makabere Posse währte allerdings nicht lange. Laut aufstöhnend vor Schmerzen, taumelte Ross schließlich auf Kuragin zu, beschrieb eine Pirouette und brach zusammen.
In Gedanken längst wieder bei seinem Komplizen, dessen Kalaschnikow jeden Moment die nächste Garbe ausspeien würde, wirbelte Kuragin auf dem Absatz herum und ließ den Blick durch den weiten, in gleißend helles Mondlicht gehüllten Talkessel wandern. Irgendwo da droben, möglicherweise nur einen Steinwurf entfernt, befand sich ein gedungener Meuchelmörder, ein Killer aus den Reihen der CIA. In wenigen Sekunden, vielleicht auch schon in diesem Moment, würde er ihn ins Visier nehmen, auf den Abzug drücken und Juri Andrejewitsch Kuragin, CIA-Agent außer Dienst, so lange beackern, bis sein Körper mit Kugeln durchsiebt und vom Kadaver eines Tieres, das einer nach Blut lechzenden Meute zur Strecke gebracht wurde, nicht mehr zu unterscheiden sein würde.
Es sei denn, er würde den Spieß umdrehen.
Die Waffe im Anschlag und so kaltblütig, dass er sich selbst darüber wunderte, wich Kuragin zurück, umklammerte Ross, der sich mit schmerzverzerrter Miene auf dem Boden wälzte, mit dem linken Arm und riss ihn mit einem gewaltigen Ruck in die Höhe. Anschließend wich er Schritt für Schritt zurück, ohne die oberen Sitzreihen, von wo aus die Schüsse auf ihn abgefeuert worden waren, auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
Auf eine Reaktion seines Kontrahenten brauchte er nicht lange zu warten. Kaum hatte er sich hinter Ross verschanzt, tat er genau das, worauf Kuragin spekuliert hatte. Um ihn an der Flucht zu hindern und seinen Komplizen nicht in Gefahr zu bringen, feuerte er in die Luft, nur wenige Zentimeter über die Köpfe von Kuragin und Ross hinweg, der mit schreckgeweitetem Blick auf
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