Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
die Zuschauerränge starrte. Dort regte sich zunächst nichts, doch kurz darauf, wie von Kuragin erhofft, erhellte ein zweiter, auf seine ursprüngliche Position gezielter Feuerstoß die mondhelle Nacht.
Fast gleichzeitig stieß er Ross von sich und zielte auf die Stelle, wo das Mündungsfeuer der Kalaschnikow aufgeblitzt war. Er tat dies aufs Geratewohl, und, wie er genau wusste, auf die Gefahr hin, dass die nächste Garbe seinen Körper in Stücke reißen würde.
Aber Juri Andrejewitsch Kuragin, nicht gerade eine Spielernatur, hatte Glück. Sein auf gut Glück abgefeuerter Schuss war ein Treffer. Und nicht nur das. Einen Laut auf den Lippen, welcher demjenigen eines waidwunden Tieres glich, bäumte sich sein bis dahin unsichtbarer Gegner auf, ließ die Kalaschnikow aus der Hand gleiten und torkelte auf den Rand des Talkessels zu. Dort blieb der Helfershelfer von Ross stehen, so als sei er zu Stein erstarrt. Danach geriet er ins Wanken, überschlug sich und blieb inmitten von Glasscherben, Unkraut und Abfall liegen.
Kuragin verlor keine Zeit. Ohne einen Blick, geschweige denn einen Gedanken auf ihn zu verschwenden, richtete er seine Aufmerksamkeit auf den Mann, der nur wenige Schritte von ihm entfernt am Boden kauerte. Außer der Schusswunde, die auf Kuragins Konto ging, hatte er einen Streifschuss an der linken Hüfte abbekommen, was bedeutete, dass von Jermaine Ross, Calabreses Mann fürs Grobe, vermutlich keinerlei Gefahr mehr ausgehen würde. Doch davon ließ sich Kuragin, der mit gezückter Waffe neben ihm stand, nicht blenden. »Na, wen haben wir denn da!«, höhnte er, beugte das Knie und drückte ihm seine Tokarew so heftig gegen die Schläfe, dass Ross krampfartig zusammenfuhr. »Mit Ihnen habe ich schon gerechnet. Wenn sich der Handlanger von Calabrese die Ehre gibt, muss es sich um etwas Besonderes handeln.«
»Scher dich zum Teufel, Russki!«, zischte Ross, von Krämpfen geschüttelt, gegen die er sich vergeblich aufbäumte. »Aus mir kriegst du so schnell nichts …«
»Na schön, Ross – anscheinend wollen Sie es nicht anders«, unterbrach ihn Kuragin und trat seinem Gegenspieler so heftig gegen die Hüfte, dass dieser laut aufjaulend auf dem Rücken landete. Bevor er wusste, wie ihm geschah, war Kuragin über ihm, beugte sich nach vorn und richtete die Tokarew auf seine Stirn. »So, und jetzt werden Sie mir sagen, wer das alles angezettelt hat.«
»Kannst … kannst du dir das nicht denken?«, keuchte Ross, wohl wissend, dass ihm nichts anderes übrigblieb.
»Ich zähle jetzt bis drei, Sie Versager. Danach können Sie sich auf etwas gefasst machen.«
»Na, wenn schon. Ich habe nichts zu verlieren.«
»Außer Ihrem Leben«, spöttelte Kuragin, ein verächtliches Lächeln im Gesicht. »Folglich würde ich mir genau überlegen, was ich tue.«
»Was soll das heißen, du Hurensohn?«
»Wie gesagt – wenn ich Sie wäre, würde ich den Mund nicht so voll nehmen. Sonst bleibt mir nichts anderes übrig, als mich mit ein paar ehemaligen Kollegen vom KGB in Verbindung zu setzen«, fügte Kuragin mit süffisanter Miene hinzu und wunderte sich, wie glatt ihm der Bluff, den er gerade inszenierte, über die Lippen kam. »Nach einem Mann ihres Schlages und mit Ihren Kenntnissen würden die sich nämlich die Finger lecken. Oder glauben Sie allen Ernstes, Sie können mir etwas vormachen? Raus mit der Sprache, Ross, was führt ihr Herr und Meister im Schilde?«
»Und was, wenn ich nicht im Bilde bin?«
»Schluss mit dem Theater. Es sei denn, Sie sind erpicht darauf, die Gastfreundschaft des KGB am eigenen Leib zu verspüren. Mit Betonung auf verspüren, falls Sie verstehen, was ich meine.«
»Gut und schön, aber was springt für mich dabei heraus?«
»Erst die Ware, dann die Gefälligkeiten. So, und jetzt machen Sie gefälligst den Mund auf, Ross«, drohte Kuragin, ein Flackern im Blick, das nichts Gutes verhieß, »bevor ich am Ende die Geduld verliere!«
»An allem ist nur Calabrese schuld.«
»Was Sie nicht sagen. Raus mit der Sprache, Ross, ich habe nicht ewig Zeit.«
»Calabrese und Dulles, meinte ich. Ginge es nach denen, wäre Kennedy die längste Zeit Präsident gewesen.«
»Eine Intrige nach Art des Hauses, so, so. Mehr haben Sie nicht zu bieten?«
»Keine Intrige, Kuragin, sondern ein organisiertes Komplott.«
»Mit welchem Ziel?«
»Mit dem Ziel, den Russen einen Denkzettel zu verpassen. Damit uns nicht die Felle davonschwimmen. So wie neulich auf Kuba. Kommunistenpack, verfluchtes.
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