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Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Titel: Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Frage, weshalb gerade er mit der Liquidierung seines ehemaligen Musterschülers betraut worden war, verschwendete er jedoch keinen Gedanken mehr. Für ihn, den hochdekorierten Marineinfanteristen, waren die Würfel endgültig gefallen. Denn was James Stuart Landon Brannigan lange Zeit nicht hatte wahrhaben wollen, war ihm auf dem Weg hierher klar geworden. In der Firma hatte er nichts zu suchen. Daran bestand kein Zweifel mehr. Und da dem so war, würde er die Mission, mit der er betraut worden war, geflissentlich ignorieren, Kuragin aus der Patsche helfen und versuchen, möglichst heil aus der Sache herauszukommen. Wie genau das vonstatten gehen sollte, war ihm allerdings schleierhaft. Brannigan kratzte sich nachdenklich hinterm Ohr. Wie pflegte Scarlett O’Hara doch zu sagen: ›Verschieben wir’s doch auf Morgen.‹ 38
    Am Rand der Schlucht postiert, von wo aus er die leeren Zuschauerränge überblicken konnte, holte Jim Brannigan tief Luft und hielt Ausschau nach dem Mann, auf den er von Calabrese angesetzt worden war. Kompliment, Juri!, zollte er dem Schüler von einst Tribut, während er den Blick über die Abhänge des Talkessels wandern ließ, auf dessen Grund die Waldbühne lag. Scheint so, als hättest du an alles gedacht. Brannigan stieß ein anerkennendes Schnauben aus. Ein abgelegener, nur schwer überschaubarer Treffpunkt, umgeben von Kiefern, knorrigen alten Eichen und urwaldartigem Unterholz. Wie geschaffen, um etwaige Verfolger an der Nase herumzuführen und nach getaner Arbeit rasch das Weite zu suchen.
    Kurzum: der ideale Ort für ein Gespräch unter Freunden.
    In Gedanken bei dem, was ihn wohl demnächst erwarten würde, setzte sich Brannigan in Bewegung und betrat das weitläufige, nach dem Vorbild griechischer Theater errichtete Areal. Aus Gewohnheit und nicht etwa einem bestimmten Grund betastete der CIA-Agent sein Jackett, unter dem sich seine 44er Magnum befand, umklammerte den silbernen Knauf seines Stocks und humpelte die Stufen hinunter, welche zur Bühne führten. Außer dem Geräusch, das er machte, herrschte absolute Stille, sodass ihm der Gedanke kam, Kuragin erlaube sich einen Jux mit ihm und sei längst über alle Berge.
    Dennoch kehrte Brannigan nicht etwa um, sondern bezog am Fuß der Zuschauerränge Position. Sein Atem ging rascher und eine eher seltene Gefühlsregung ergriff Besitz von ihm: Nervosität. Peinlich berührt, schalt sich Brannigan einen Narren, nur um festzustellen, dass sein Hemd nahezu durchgeschwitzt war. Es war eine wolkenlose, mondhelle Nacht, und die Szenerie sah so unwirklich aus, dass er sich bei der Vorstellung ertappte, lediglich Teil einer bis ins Detail durchdachten Inszenierung zu sein. Eines Stückes, in dem Juri Andrejewitsch Kuragin, der den Mentor von einst längst übertrumpft hatte, auf unnachahmliche Weise Regie führte.
    Blieb die Frage, um welche Art Stück es sich handelte – um eines mit gutem Ausgang oder um eine Tragödie.
    Aufgeschreckt durch eine Fledermaus, die wie aus dem Nichts herangeflattert kam und ebenso schnell wieder verschwand, wirbelte Brannigan herum, die 44er Magnum in der ausgestreckten Hand. In der Tat war Nervosität etwas völlig Neues für ihn, weshalb er sich an die Stirn tippte und die Waffe wieder unter seinem Jackett verschwinden ließ. Wie hatten Kuragins Worte doch gelautet? »Alles, worum ich dich bitte, ist, dass du mir einen kleinen Gefallen erweist.« Brannigan wischte sich den Schweiß von der Schläfe und lachte. ›Gefallen‹ war bestimmt nicht das richtige Wort dafür. Landesverrat schon eher.
    »So allein, Jim? Was dagegen, wenn ich dir ein bisschen Gesellschaft leiste?«
    Auf einen Schlag wie elektrisiert, schreckte Brannigan aus seinen Gedanken auf und horchte in die Dunkelheit hinein. Er kam sich vor wie im falschen Film, wie der letzte Hampelmann. Aus welcher Richtung die Stimme gekommen war, konnte er beim besten Willen nicht sagen, und so blieb ihm nichts anderes übrig als abzuwarten. Genau das war jedoch nicht seine Stärke, weshalb seine Anspannung in Aggressivität umschlug. »Mensch, was soll das?«, rief er barsch. »Schluss mit dem Blödsinn, verdammt noch mal!«
    »Aber, aber, Special Agent«, beschwichtigte ihn der Unsichtbare, dessen weichen, mit einem Schuss Ironie durchsetzten Tonfall er aus Tausenden von Stimmen heraushören konnte. »Wer wird denn gleich so grob werden. Ein wenig mehr Selbstbeherrschung stünde dir wahrhaftig gut zu Gesicht.«
    »Spar dir deine Ratschläge, Juri!«,

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