Keraban Der Starrkopf
auf sich warten lassen.
– Ich hoffe noch vor Ihnen dort einzutreffen.
– Seigneur Saffar hat, das bemerke ich Dir, noch ausdrücklich vorgeschrieben, daß das junge Mädchen mit aller erdenklichen Rücksicht behandelt werden soll. Keine Rohheit, keine Gewalt, wenn sie erst bei Dir an Bord ist!…
– Sie wird respectirt werden, ganz wie es Seigneur Saffar wünscht, und ganz so, als wenn es ihm selbst gälte.
– Ich rechne auf Deinen Eifer, Yarhud.
– Er gehört ganz Ihnen, Scarpante.
– Und auf Deine Gewandtheit!
– Sicherer würde ich meiner Sache freilich sein, wenn diese Heirat etwas verzögert würde, und das könnte erreicht werden, wenn irgend ein Zwischenfall die unmittelbare Abreise des Seigneur Keraban verhinderte.
– Kennst Du ihn, diesen Händler?
– Seine Feinde, oder die, welche es werden wollen, muß man immer kennen, entgegnete der Malteser. So ist es auch nach der Ankunft hier meine erste Sorge gewesen, mich unter dem Vorwande von Geschäften nach seinem Comptoir in Galata zu begeben.
– Und da hast Du ihn gesehen?
– Nur einen Augenblick, doch das genügte, und…«
Da unterbrach sich Yarhud und trat eiligst näher zu Scarpante heran, dem er leise zuflüsterte:
»Ei, Scarpante, ein merkwürdiger Zufall und vielleicht ein glückliches Zusammentreffen!
– Was willst Du?
– Jener starke Mann, der dort in Begleitung seines Dieners die Straße von Pera herunterkommt…
– Das wäre er?
– Ja freilich, Scarpante, antwortete der Capitän. Halten wir uns bei Seite und verlieren wir ihn nicht aus den Augen. Ich weiß, daß er jeden Abend nach seiner Wohnung in Scutari zurückkehrt, und um zu erfahren, ob er demnächst abzureisen gedenkt, würde ich ihm, wenn nöthig, selbst auf die andere Seite des Bosporus folgen!«
Scarpante und Yarhud mischten sich unter die Menschen, deren Zahl auf dem Platze von Top-Hane jetzt jede Minute anwuchs, und hielten sich in gemessener Entfernung, um Alles sehen und hören zu können, was übrigens ziemlich leicht war, da der »Seigneur Keraban«, so wurde er im Quartier von Galata betitelt, mit sehr lauter Stimme sprach und seine gewichtige Persönlichkeit keineswegs zu verbergen suchte.
Drittes Capitel.
In welchem Seigneur Keraban höchst erstaunt ist, mit seinem Freunde Van Mitten zusammenzutreffen.
Der Seigneur Keraban war, um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen, ein »Mann von großer Oberfläche« – körperlich wie geistig – zählte seinem Gesicht nach vierzig, seiner Corpulenz nach fünfzig und in Wahrheit fünfundvierzig Jahre; bei seiner imponirenden Gestalt zeichnete er sich durch ein höchst intelligentes Gesicht aus. Sein schon etwas grau schimmernder Bart mit zwei Spitzen, die er mehr kurz als lang hielt, die schwarzen, seinen, scharfen Augen mit lebhaftem Blick, welche selbst für die flüchtigsten Eindrücke ebenso empfänglich waren, wie die Schale einer Präcisionswage für den Unterschied eines Zehntel-Karat, ein mächtiges Kinn, seine, wenn auch nicht übermäßig ausgesprochene Adlernase, welche zu den Augen vortrefflich paßte, der Mund mit festgeschlossenen Lippen, die sich nur öffneten, um eine volle Reihe schöner weißer Zähne zu zeigen; die hohe gut gewölbte Stirn mit lothrechter Falte, einer richtigen Trotzkopf-Falte zwischen den beiden rabenschwarzen Augenbrauen – alles das zusammen verlieh ihm das eigenthümliche Aussehen eines originellen selbstbewußten Mannes, den man nicht leicht wieder vergessen konnte, wenn er auch nur einmal die Aufmerksamkeit eines Anderen erregt hatte.
Die Kleidung des Seigneur Keraban war die der alten Türken, welche noch der früheren Tracht aus der Janitscharenzeit treugeblieben sind: ein breiter, vorstehender Turban, weite, flatternde Beinkleider, die nach den »Pabüdj« zu herabfielen, eine ärmellose Weste verziert mit großen facettirten Knöpfen und mit seidenem Ausputz, der Gürtelshawl, der seinen wohlbeleibten Rumpf umschloß, und endlich der Kaftan, der in majestätischen Falten herabwallte. In dieser antiken Tracht fand sich also keine Spur europäischer Mode, und sie unterschied sich auf den ersten Augenblick von der Kleidung der Orientalen der neuen Epoche. Eben diese Tracht gilt als Abweisung der neuen Ideen, als Protest zu Gunsten der localen Färbung, welche mehr und mehr zu verschwinden droht, und als offener Widerspruch gegen die Erlässe des Sultans Mahmud, dessen allmächtiger Wille das moderne Costüm der Osmanlis vorgeschrieben hat.
Es bedarf wohl kaum
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