Keraban Der Starrkopf
Storchi auf den Gipfel des Gerüsts an’s Ziel gelangt und stieg von da mit seinem Begleiter auf einer Treppe herunter, welche auf den Winkel des Hafendammes mündete, wo Ahmet und die Seinigen ohne ihr Zuthun Platz gefunden hatten.
Das mehr als kühne Unternehmen war vollständig geglückt; man wird aber gern zugeben, daß der, den Storchi in dieser Weise auf dem Schiebkarren befördert hatte, gewiß die Hälfte jener Bravos verdiente, welche Asien jetzt den beiden Helden zu Ehren nach Europa sandte.
Doch welch’ lauten Aufschrei stieß Ahmet aus! Sollte er seinen Augen trauen? Der Begleiter des berühmten Akrobaten war, nachdem er Storchi noch einmal die Hand gedrückt, herangetreten und sah ihn lächelnd an.
»Keraban! Mein Onkel Keraban!…« rief Ahmet, während die beiden jungen Mädchen, Sarabul, Van Mitten, Yanar, Selim und Bruno sich rings herbeidrängten.
Es war der Seigneur Keraban in eigener Person!
»Ja, ja, ich bin’s, liebe Freunde, rief er triumphirenden Tones, ich selbst; ich fand den muthigen Akrobaten im Begriff, seinen Weg anzutreten, trat an die Stelle seines Begleiters, und bin so über den Bosporus gekommen – nein, oberhalb des Bosporus hierher gekommen, um Deinen Ehecontract zu unterzeichnen, Neffe Ahmet!
– Ach, Seigneur Keraban!… Mein Onkel! jubelte Amasia, ich wußt’ es schon, daß Sie uns nicht im Stiche lassen würden.
– Das ist doch einmal schön! rief Nedjeb, vor Freude in die Hände klatschend.
– Welch’ ein Mann! sagte Van Mitten. Seinesgleichen fände man in ganz Holland nicht wieder.
– Das mein’ ich auch, erwiderte Sarabul sehr trocken.
– Ja, ich bin herübergekommen, fuhr Keraban fort, der sich jetzt an den Polizeihauptmann wendete, ja… ohne zu bezahlen… abgesehen von den zweitausend Piastern für den Platz im Schiebkarren und den achthunderttausend, welche die Rundreise beanspruchte.
– Meinen besonderen Glückwünsch!« antwortete der Polizeihauptmann, der nichts Besseres zu thun wußte, als sich vor einem so vollendeten Starrsinn zu verneigen.
Von allen Seiten donnerten jetzt Beifallsrufe zu Ehren des Seigneur Keraban, während der wohlwollende Starrkopf gutmüthig seine Tochter Amasia und seinen Sohn Ahmet umarmte.
Er war aber nicht der Mann, seine Zeit zu vergeuden, nicht einmal im Rausche verdienten Triumphes.
»Nun vorwärts zum Richter von Constantinopel! drängte er.
– Ja, lieber Onkel, zum Richter! antwortete Ahmet. O, Du bist doch der beste aller Menschen!
– Und was Ihr auch dagegen sagen mögt, erwiderte Keraban, keineswegs starrköpfig… so lange mir Niemand widerspricht!«
Auf das Nächstfolgende brauchen wir hier nicht weiter einzugehen. Am Nachmittage des nämlichen Tages fertigte der Richter den Ehevertrag aus, der Iman in der Moschee sprach Gebet und Segen über das junge Paar, dann zogen Alle nach dem Hause in Galata, und bevor es noch am 30. dieses Monats Mitternacht geschlagen, war Ahmet vermählt mit der geliebten Amasia, der steinreichen Tochter des Banquiers Selim.
Am nämlichen Abend bereitete sich Van Mitten ganz niedergeschmettert vor, in Gesellschaft seines Schwagers Yanar und der edlen Sarabul, welche durch eine letzte Ceremonie in fernem Lande endgiltig seine Gattin werden sollte, nach Kurdistan abzureisen.
Noch beim Abschiednehmen in Gegenwart Ahmets, Amasias, Nedjebs und Brunos konnte er sich nicht enthalten, zu seinem Freunde mit sanftem Vorwurf zu sagen:
»Wenn ich bedenke, Keraban, daß ich mich jetzt verheiraten… zum zweiten Male verheiraten soll… nur um nicht Ihrem Willen entgegen zu handeln…
– Mein armer Van Mitten, antwortete Keraban wie zum Troste, wenn diese Heirat je etwas Ernsteres als ein Traum werden sollte, würd’ ich mir’s nie verzeihen!
– Ein Traum! erwiderte Van Mitten, sieht das wie ein Traum aus? O, jene unselige Depesche!«
Bei diesen Worten zog er das zerknitterte Telegramm noch einmal aus der Tasche und ließ die Augen fast maschinenmäßig darüber streifen.
»Ja… diese Depesche!… » Madame Van Mitten, seit 5 Wochen verschieden, ihren Gatten wieder aufzusuchen …
– Verschieden, wieder aufzusuchen?… rief Keraban. Was soll dieser Unsinn bedeuten?«
Damit entriß er dem Holländer das Papier und las selbst:
» Madame Van Mitten, seit 5 Wochen entschieden, ihren Gatten wieder aufzusuchen, ist nach Constantinopel abgereist .« – – Entschieden – verschieden!
– Er ist nicht Witwer!«
Diese Worte erklangen aus Aller Munde, während Keraban
Weitere Kostenlose Bücher