Keraban Der Starrkopf
dazu kam.
– Ich werde doch vorwärts gehen…
– Ja wohl, aber«…
»Nun, mein Herr, Sie werden mich durchlassen,« sagte Keraban. (S. 32.)
Plötzlich rief er, den, mit dem er zu thun hatte, erkennend:
»Ah mein Freund Keraban!
– Sie… Sie, Van Mitten, erwiderte Keraban höchst erstaunt, Sie hier in Constantinopel?
– Wie Sie sehen.
– Seit wann?
– Seit diesem Morgen.
– Und Sie haben nicht zuerst mir, mir einen Besuch abgestattet?
– Im Gegentheil, ich bin bei Ihnen gewesen, erklärte der Holländer. Ich begab mich sofort nach Ihrem Comptoir, traf Sie daselbst aber nicht an und hörte nur, daß Sie um sieben Uhr Abends nach diesem Platze kommen würden…
– Womit meine Leute ganz Recht hatten, Van Mitten, rief Keraban, indem er mit einer Heftigkeit, die schon mehr an Gewalt grenzte, die Hand seines Correspondenten aus Rotterdam drückte. Ah, mein lieber Van Mitten, nie, nein, niemals hätte ich erwartete Sie in Constantinopel zu sehen!… Warum haben Sie mir nicht geschrieben?
– Ich bin aus Holland sehr plötzlich abgereist
– Eine Geschäftsreise?
– Nein… eine Tour… zum Vergnügen! Bisher kannte ich ja weder Constantinopel, noch die Türkei überhaupt, und ich beabsichtigte gleichzeitig, Ihnen für Ihren Besuch, den Sie mir in Rotterdam gemacht, einen Gegenbesuch abzustatten.
– Das ist schön von Ihnen!… Aber es scheint mir, ich sehe Frau Van Mitten nicht mit Ihnen?
– Freilich… ich habe sie nicht mitgebracht, gestand der Holländer nicht ohne einiges Zögern. Meine Frau geht nur ungern von zu Hause fort; so bin ich mit meinem Diener Bruno allein gekommen!
– Aha, mit diesem Burschen, sagte Seigneur Keraban, eine leichte Handbewegung gegen Bruno machend, der sich nach türkischer Sitte verneigen zu müssen glaubte und seine beiden Arme wie die Henkel einer Vase nach dem Hute ausstreckte.
– Jawohl, antwortete Van Mitten, dieser wackere junge Mann, der mich schon verlassen und zurückreisen wollte…
– Zurückreisen? rief Keraban. Zurückreisen, ohne von mir dazu Erlaubniß zu haben?
– Ja, Freund Keraban. Er findet diese Hauptstadt des ottomanischen Kaiserreichs weder sehr unterhaltend, noch sehr belebt.
– Das richtige Mausoleum! ließ sich Bruno vernehmen. Kein Mensch in den Läden!… Kein Wagen auf Straßen und Plätzen!… Nur Schattengestalten, welche durch die Straßen eilen und Einem auch noch die Pfeife rauben.
– Ja, so ist’s wohl während des Ramadan, Van Mitten, antwortete Seigneur Keraban, und wir sind jetzt mitten im Ramadan.
– Ah so, das nennt man Ramadan? fiel Bruno ein. Nun erklärt sich ja Alles! – Doch bitte, was ist denn das, dieser Ramadan?
– Eine Zeit des Fastens und der Enthaltsamkeit, belehrte ihn Keraban. Während der Dauer desselben ist es zwischen Auf-und Untergang der Sonne verboten zu rauchen, zu trinken und zu essen. Nach Verlauf einer halben Stunde aber, sobald der Kanonenschuß das Ende des Tages verkündet…
– Aha, da haben wir ja, was sie mit ihrem Kanonenschuß meinten, rief Bruno.
– Dann wird sich Alles die ganze Nacht hindurch für die Entbehrung des Tages schadlos halten.
– Also haben Sie, wandte Bruno sich an Nizib, weil jetzt Ramadan ist, seit diesen Morgen noch keinen Bissen genossen?
– Noch keinen Bissen genossen, bestätigte Nizib.
– Sapperment, da würd’ ich bald gehörig abmagern! Das kostete mir jeden Tag ein Pfund Leibesgewicht – mindestens ein Pfund.
– Mindestens, stimmte Nizib zu.
– Nun sollen Sie aber sehen, wenn die Sonne untergegangen ist, Van Mitten, nahm Keraban das Wort, da werden Sie große Augen machen! Dann ändert sich Alles wie mit einem Zauberschlage, der aus einer todten Stadt eine lebende macht. Ah, Ihr Herren Jungtürken, diese guten alten Sitten habt Ihr mit Euren albernen Neuerungen doch nicht beseitigen können! Der Koran hält schon solchen Dummheiten die Stange! Möge Mohammed Euch erdrosseln!
– O, Freund Keraban, meinte Van Mitten, ich sehe, daß Sie den alten Gewohnheiten noch vollkommen treu geblieben sind.
– Das ist mehr als Treue, Van Mitten, das grenzt schon an Trotz! – Doch, sagen Sie mir, werther Freund, Sie werden doch einige Tage in Constantinopel verweilen, nicht wahr?
– Ja… das heißt…
– Schon gut, Sie gehören mir! Ich lege Beschlag auf Ihre Person! Sie werden mich nicht mehr verlassen.
– Gut, ich gehöre Ihnen.
– Und Du, Nizib, wirst für den Burschen da Sorge tragen, setzte Keraban mit einem Hinweis auf
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