Keraban Der Starrkopf
Bruno hinzu. Ich beauftrage Dich vor Allem, seine Vorstellungen über unsere wundervolle Hauptstadt zu ändern.«
Nizib gab ein Zeichen der Zustimmung und zog Bruno mitten in die Menschenmenge, welche immer dichter wurde.
»Halt, da fällt mir etwas ein, rief plötzlich Seigneur Keraban, Sie kommen gerade zur rechten Zeit, Van Mitten. Sechs Wochen später hätten Sie mich nicht mehr in Constantinopel getroffen.
– Sie, Keraban?
– Ja, mich; ich wäre dann nach Odessa abgereist.
– Nach Odessa?
– Nun, wenn Sie dann noch hier sind, reisen wir natürlich zusammen. Ja, wahrlich, ich sehe gar nicht ein, warum Sie mich nicht begleiten sollten.
– Das heißt… stotterte Van Mitten.
– Sie werden mich eben begleiten, sage ich Ihnen!
– Ich dachte allerdings, von der etwas schnell zurückgelegten Reise mich hier zu erholen…
– Ganz recht! Sie ruhen hier aus!… Nachher ruhen Sie wieder in Odessa aus, drei volle Wochen lang.
– Freund Keraban…
– Alles abgemacht, Van Mitten. Ich denke doch, daß Sie nicht die Absicht haben, mir schon am ersten Tage Ihres Hierseins zu widersprechen? Sie wissen ja, wenn ich Recht habe, gebe ich nicht so leicht nach.
– Ja… das weiß ich!… erwiderte Van Mitten.
– Uebrigens, fuhr Keraban fort, kennen Sie meinen Neffen Ahmet noch gar nicht, und dessen Bekanntschaft müssen Sie doch nothwendig machen.
– Sie haben mir zwar von Ihrem Neffen gesprochen…
– Besser, von meinem Sohne, Van Mitten, da ich ja keine Kinder habe. Sie wissen, die Geschäfte… O, die Geschäfte!… Ich habe keine fünf Minuten Zeit gefunden, mich zu verheiraten.
– Dazu genügt schon eine Minute, bemerkte Van Mitten sehr ernst, und zuweilen ist schon eine Minute zu viel!
– Sie werden Ahmet in Odessa treffen, sagte Keraban. Ein prächtiger Junge!… Vom Geschäft will er zwar nicht viel wissen, ist so ein Stückchen Künstler und ein Stückchen Dichter… Aber ein prächtiges Kerlchen! Seinem Onkel gleicht er nicht im Geringsten und tritt ihm niemals entgegen.
– Freund Keraban…
– Schon gut! Schon gut! Zur Feier seiner Hochzeit gehen wir eben nach Odessa.
– Seiner Hochzeit?
– Ja, freilich. Ahmet heiratet ein hübsches Mädchen… die junge Amasia… die Tochter meines Banquiers Selim, eines reichen Türken, wie ich. Da wird es schöne Feste geben. Das muß herrlich werden! Sie sind natürlich dabei!
– Aber… ich hätte vorgezogen… stammelte Van Mitten, der noch einen letzten Einwurf machen wollte.
– Ist schon Alles abgemacht! erklärte Keraban. Es wird Ihnen doch nicht in den Sinn kommen, sich wider mich auflehnen zu wollen?
– Ich möchte nur… antwortete Van Mitten.
– Ach was, Sie werden’s aber nicht können!«
In diesem Augenblicke näherten sich Scarpante und der Maltesercapitän, welche weiter in der Mitte des Platzes gestanden hatten.
Seigneur Keraban sagte eben zu seinem Gastfreunde:
»Abgemacht! Binnen höchstens sechs Wochen reisen wir Beide nach Odessa!
– Und die Hochzeit findet statt…? fragte Van Mitten.
– Sobald wir daselbst angelangt sind,« antwortete Keraban.
Yarhud hatte sich nach Scarpante’s Ohr geneigt.
»Sechs Wochen, da haben wir ja hinlänglich Zeit!
– Ja, aber je eher Alles abgemacht ist, desto besser, antwortete Scarpante. Vergiß nicht, Yarhud, daß Seigneur Saffar vor Ablauf von sechs Wochen in Trapezunt zurück sein wird.«
Beide gingen dann wieder mit lauerndem Auge und gespanntem Ohre auf und ab.
Inzwischen plauderte Seigneur Keraban mit Van Mitten weiter und sagte:
»Mein Freund Selim, der’s immer eilig hat, und mein Neffe Ahmet, der vielleicht noch ungeduldiger ist, wollten die Hochzeit unverzüglich feiern. Ich muß wohl zugeben, daß sie dafür einen gewissen Grund haben. Selim’s Tochter muß nämlich vor vollendetem siebzehnten Lebensjahre vermählt sein, oder sie verliert die Kleinigkeit von hunderttausend türkischen Pfunden (– 1,800.000 Mark^ welche eine alte verrückte Tante ihr nur unter jener Bedingung testamentarisch ausgesetzt hat. Siebzehn Jahre alt wird sie aber erst nach sechs Wochen. Ich habe den Leutchen auch den Kopf zurecht gesetzt und gesagt: »Ob’s Euch nun recht ist oder nicht, die Hochzeit wird vor Ende des kommenden Monats doch nicht stattfinden.«
– Und Ihr Freund Selim hat sich gefügt? fragte Van Mitten.
– Das versteht sich.
– Und der junge Ahmet?
– Der nicht so leicht, antwortete Keraban. Er betet die hübsche Amasia an; ich habe nichts dagegen; er hat ja
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