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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Es ist überraschend zu sehen, mit welcher Schnelligkeit diese schlanken Boote dahingleiten, einander kreuzen oder überholen in der herrlichen Meerenge, welche das Ufer beider Continente trennt. Die einflußreiche Zunft der Kajiktschis versieht diesen Dienst vom Anfang des Marmarameeres bis zu dem Schlosse Europas und dem Asiens, welche sich im nördlichen Theile des Bosporus gegenüberstehen.
    Es sind im Allgemeinen hübsche Gesellen, bekleidet mit dem »Burudjuk«, einer Art seidenem Hemd, mit lebhaft gefärbtem und mit Goldstickereien verziertem »Yelek«, einem kurzen Beinkleid aus weißer Baumwolle, wozu sie einen »Fez«, und, während Schenkel und Arme nackt bleiben, an den Füßen selbst »Yemenis« tragen.
    Daß der Kajiktschi des Seigneur Keraban – d. h. der Schiffer, welcher Letzteren jeden Abend nach Scutari und jeden Morgen zurückfuhr – daß dieser Kajiktschi wegen seines etwas langen Ausbleibens einen ziemlich üblen Empfang fand, ist wohl unnöthig hier hervorzuheben. Der phlegmatische Seemann ließ sich davon freilich nicht besonders berühren, denn er wußte recht gut, daß man einem so vortrefflichen Kunden auch etwas zu Gute halten müsse, und so begnügte er sich, nur nach seinem am Fuße der Treppe liegenden Boote zu zeigen.
    Seigneur Keraban wollte sich eben in Begleitung Van Mitten’s und gefolgt von Bruno und Nizib nach dem Fahrzeug hinabbegeben, als in der Menge auf dem Top-Hane-Platze plötzlich eine gewisse Bewegung entstand.
    Seigneur Keraban hielt ein.
    »Was giebt’s denn da?« fragte er.
    Da erschien der Polizeihauptmann des Stadtviertels von Galata, umgeben von Gardisten, welche das Volk auseinanderdrängten, auf dem Platze. Ein Trommelschläger und ein Trompeter begleiteten ihn. Der erstere schlug einen Wirbel, der Andere blies ein Signal, und allmählich wurde es ruhig unter der sehr heterogenen, aus Asiaten und Europäern zusammengewürfelten Menschenmenge.
     

    »Hier ist noch Europa, dort drüben ist Asien!« (S. 39.)
     
    »Doch wieder eine ungerechte Proclamation,« murmelte Seigneur Keraban im Tone eines Mannes, der überall und immer auf seinem Rechte zu bestehen gewillt ist.
    Der Polizeihauptmann zog ein mit den vorschriftsmäßigen Siegeln bedecktes Document hervor und verlas mit weithinschallender Stimme folgende Verordnung:
    »Auf Befehl des Muzir und Präsidenten der Polizeiverwaltung wird hiermit von heute an eine Abgabe von zehn Paras Jedermann auferlegt, der über den Bosporus fährt, um von Constantinopel nach Scutari oder von Scutari nach Constantinopel zu gelangen, sowohl mittelst Kajik, wie mittelst jeden anderen Segel-oder Dampffahrzeuges. Wer diese Abgabe verweigert, wird mit Haft-und mit Geldstrafe belegt.
    Gegeben im Palaste am 16.
hujus
.
     
    Gezeichnet: Der Muzir.«
     
    Ein Murmeln der Unzufriedenheit empfing diese neue Auflage, welche per Kopf etwa vier Pfennige betrug.
    »Schön, wieder eine neue Steuer! rief ein alter Türke, der doch die Finanzlaunen des Padischah schon seit Langem kennen mußte.
    – Zehn Paras, jammerte ein Anderer, das ist ja der Preis für eine halbe Tasse Kasse!«
    Der Polizeihauptmann schickte sich in dem Bewußtsein, daß man in der Türkei zwar murrt, aber doch bezahlt, schon an, den Platz zu verlassen, als der Seigneur Keraban auf ihn zutrat.
    »Also, begann dieser, eine neue Steuer, welche allen Denen auferlegt wird, die über den Bosporus gehen wollen?
    – Auf Befehl des Muzir,« antwortete der Polizeihauptmann.
    Dann setzte er hinzu:
    »Wie, das ist der reiche Keraban, welcher Widerspruch erhebt?
    – Ja, der reiche Keraban.
    – Und es geht mit Ihnen gut, Seigneur Keraban?
    – Ganz gut… ebensogut wie mit der Steuer. Diese Bekanntmachung tritt sofort in Kraft?
    – Gewiß, mit deren öffentlicher Verlesung.
    – Und wenn ich mich heut’ Abend… in meinen Kajik begeben will, wie das alle Tage geschieht?…
    – So werden Sie dafür zehn Paras erlegen.
    – Und da ich jeden Morgen und jeden Abend über den Bosporus fahre?
    – So macht das zwanzig Paras den Tag, antwortete der Polizeihauptmann. – Eine nicht nennenswerthe Kleinigkeit für den reichen Keraban.
    – Wirklich?
    – Mein Herr wird sich eine böse Geschichte auf den Hals laden, flüsterte Nizib Bruno zu.
    – Er wird schon nachgeben müssen.
    – Er? Da kennen Sie ihn schlecht!«
    Seigneur Keraban hatte die Arme gekreuzt, dann sah er den Beamten Auge in Auge fest an und sagte mit scharfer Stimme, aus der man seine Gereiztheit heraushörte:
    »Nun,

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