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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Autorität hatte sich in seinem Kral längst durchgesetzt. Auch die Soldaten hatten gemerkt, daß sie so am besten fuhren. Ihre Reihen hatten sich bisher am wenigsten gelichtet. Sechs Mann hatten sie erst zu beklagen. Das war, an den anderen gemessen, gar nicht der Rede wert.
    Heute morgen war Michel wie immer der letzte, der sich zum Trinken niederlegte. Als er satt war und den Kopf von der Wasseroberfläche hob, fiel sein Blick wie zufällig auf eine der arabischen Frauen, die in der Nähe ihren Wasserkrug füllte.
    Er hatte den Eindruck, als mache sie ihm mit der Hand verstohlen Zeichen. Michel blieb in seiner Haltung und beobachtete sie aufmerksam. Täuschte er sich? War nur der Wunsch der Vater des Gedankens?
    Nein. Sie schien wahrhaftig ihn zu meinen. Was mochte sie wollen? Da nahm sie ihren Krug auf den Kopf und ging ein paar Schritte in der Richtung, die auch die Gefangenen in wenigen Minuten einschlagen würden. Enttäuscht wollte sich Michel erheben.
    Aber da blickte sie sich wieder um und deutete auf einen in der Nähe liegenden, größeren Stein. Michel sah scharf hin. Tatsächlich, sie ließ etwas fallen, so, daß es genau hinter diesen Stein zu liegen kam.
    Ein Fieber packte den Pfeifer. Seine Glieder begannen plötzlich zu flattern. Unruhig streiften seine Augen hin und her.
    Hatte einer der Wächter etwas bemerkt?
    Nein. Auch die Gefährten waren ahnungslos, niemand schien auf das sonderbare Verhalten der Araberin aufmerksam geworden zu sein.
    Der Haufen stellte sich in losen Gruppen auf.
    »Jallah! - Jallah!« schrien die Posten.
    Der Elendszug setzte sich in Bewegung.
    Michel hatte versucht, sich in die rechte Außenreihe zuschmuggeln, was ihm nach einigen kräftigen Stößen auch gelang.
    Noch etwa zehn Schritte trennten ihn von jenem Stein. Eins — — zwei — — drei — — vier — —
    Da bemerkte Michel mit Entsetzen, daß der Posten, der ein paar Schritte weiter voraus die Sträflinge antrieb, zurückblieb. Verdammt, jetzt lief er neben ihm. Neun — — zehn — —
    Er mußte es wagen. Er stieß einen Fluch aus und stolperte, fiel an den Posten, der wütend zur Seite sprang und mit der Peitsche ausholte. Als Michel direkt neben dem Stein flach auf dem Boden lag, sauste die Nilpferdpeitsche auf ihn herab und traf mit sausender Wucht seinen Rücken.
    Allein, der Gepeinigte verspürte kaum den Schlag. Er fühlte nicht das Brennen der aufgeplatzten Haut. Ein glückliches Leuchten stand in seinen Augen, als er sich hastig aufrichtete und sich wieder einreihte.
    Das, was er da soeben aufgehoben hatte, preßte er an die Brust. Es fühlte sich hart an und zwar ziemlich lang.
    »Ist Euch nicht gut, Doktor?« fragte Ojo besorgt, der sich trotz des Scheltens seiner Kameraden zu Michel hindrängte. »Kann ich Euch helfen? Ich werde Eure Arbeit übernehmen.« Michel hatte einen so freudigen Glanz in den Augen, daß ihn Ojo ängstlich anstarrte. Er glaubte, der Unbezwingliche und Unverwüstliche sei wahnsinnig geworden, und bekam einen ungeheuren Schreck.
    Michel nahm die Riesenpfote des treuen Begleiters in seine Rechte und drückte sie dankbar. »Mach dir keine Sorgen, Diaz. Ich mußte einfach stolpern, und ich mußte auch lang hinfallen. Danke Gott, daß mir das gelungen ist.«
    Diaz Ojo war ein seelenguter Mensch. Aber schnelles Denken war nie seine starke Seite gewesen. Noch immer blickte er zweifelnd auf den Pfeifer, beruhigte sich jedoch, als er keine weiteren Anzeichen beginnenden Wahnsinns an ihm bemerkte. —
    Die Arbeit war schwer. Die Finger bluteten, und mehr als einmal sausten die Peitschen der unbarmherzigen Aufseher auf die Rücken der weißen Sklaven.
    Michel spürte nichts von alledem. Aufmerksam betrachtete er heute die Umgebung. Nach Süden war ein Entkommen unmöglich; denn dort lag die Wüste. Aber einer Fluchtmöglichkeit galt sein suchender Blick zunächst noch nicht. Er wollte nichts anderes als eine Gelegenheit finden, das Päckchen heimlich zu öffnen und nach einer Botschaft zu durchsuchen; denn die Unbekannte dürfte sicherlich nicht aufs Geratewohl gehandelt haben. Irgendein Plan mußte dem geheimnisvollen Päckchen zugrunde liegen.
    So sehr sich Michel auch bemühte, er fand keinen günstigen Augenblick, in dem er eine nachlassende Aufmerksamkeit der Wächter bemerkt hätte. Er konnte sich auch nicht selbst ein wenig abseits halten, denn daran hinderten ihn die Ketten, mit denen einer an den anderen gefesselt war. Die eisernen Ringe lagen wie Klammern um die

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