Kerrion 3 - Traumwelt
in Stimmung zu bringen habe. Er fand, daß sie angesichts ihrer bisherigen Gewohnheiten selber wissen müsse, wie ihm zumute war. Ein Ausdruck wie »eheliche Pflichten« wäre ihm nicht über die Lippen gekommen, aber das Paket von heimliehen Wünschen und Gedanken, das ihm auf der Brust lag und ihm das Sprechen unmöglich machte, hätte sich in dieser juristischen Formel durchaus wiedergefunden.
Zu Hause waren sie um kurz vor sechs, um sieben mußten sie aufbrechen. Zu einem Fest der Liebe war das nicht viel Zeit. Kaum waren sie in der Wohnung, begann Hans Ina stürmisch zu umarmen. Sie ließ das geschehen, ohne weiter darauf einzugehen. Sie verstand, was es geschlagen hatte, aber sie verwies, nicht unfreundlich, darauf, wie spät es sei und daß sie sich ungern in Eile fertigmache. Könnten sie nicht lieber ein bißchen früher aufbrechen dort? Es sei morgen Montag, da brauche man nicht lange bei den Leuten auszuharren. Aber er ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen. Er fühlte, daß er nicht die Kraft besaß, die Liebe jetzt aufzuschieben, im unveränderten Zustand von heute Nachmittag auf dieses Fest zu gehen, dann doch spät zurückzukommen und müde zu sein. Nein, jetzt. Er drängte sie ins Schlafzimmer. Sie legte sich ohne weiteres Widerstreben aufs Bett und ließ sich von ihm ausziehen. Er stellte fest, daß seine Hände flogen. Er suchte das zu verbergen. Er lag neben ihr, streichelte sie, sie ließ es geschehen, aber rührte sich selber nicht. Sie wartete. Er küßte sie, sie ließ sich küssen, wich ihm nicht aus, aber sah ihn dabei kühl an.
»Viel Zeit haben wir nicht mehr.« Sie sah auf den Wecker, während er ihren nackten Körper streichelte.
»Ich habe ja gesagt, es muß nicht jetzt sein«, sagte sie, nun doch um einen liebevolleren Ton bemüht. Er war ihr sogar dankbar für die kleine Brücke, die sie ihm baute. Obwohl nichts von dem geschehen war, was er sich ersehnt hatte, waren sie zerrauft, ihre Gesichter gerötet, ihre Körper naß von Schweiß. Im Badezimmer vermieden sie sich anzusehen. Auf Ina wartete ein regelrechtes Arbeitsprogramm, das Haarewaschen, Trocknen mit dem laut sausenden Föhn, das Schminken, das Anziehen - sie war schnell und geübt, aber seine Zeit brauchte das doch. F.r war sogar für das verhaßte Föhnsausen dankbar, denn es vertrieb die Stille, die der Ausdruck einer Peinlichkeit war, die alles erfüllte.
Obwohl sie einen Stadtplan besaßen, war es schwer, das Haus ihrer Gastgeber zu finden. Es lag in einem besonders häßlichen neueren Villenviertel am südlichen Rand der Stadt. Hier oben waren die Straßen ausgestorben. Wer hier wohnte, war jetzt in Sommerferien. Frau von Klein hätte in diesen Straßen eine sie beruhigende Fülle von Walmdachbungalows gefunden. Dichte Wäldchen aus Douglasfichten begrenzten die Grundstücke, durch niedrige schmiedeeiserne Gartentörchen, vorbei an mit glänzenden Messingposthörnchen geschmück--ten Briefkästen ging es auf asymmetrisch verlegten Steinplatten zu den Haustüren, an denen enorme Messingtürklopfer prangten. Schließlich hatten sie das Haus gefunden, Nummer zwölf lag in einer Sackgasse am Finde, für die hiesigen Verhältnisse ein begehrtes Grundstück.
Sie fanden sofort einen Parkplatz. Seltsam, dachte Hans, waren nicht Scharen von Leuten eingeladen? Es war still. Waren sie zu früh? Tatsächlich, etwas zu früh. Sie warteten schweigend fünf Minuten im Auto. Sie stiegen aus und klingelten. Nichts rührte sich. Die Rolläden waren heruntergelassen. Sie öffneten das Gartentörchen und gingen um das Haus herum in den Garten. Dort lag eine kahle Wiese, die großen Fenster waren mit Scherengittern verrammelt. Ina lauschte.
»Ich höre Stimmen.« Auch Hans legte sein Ohr auf die Scheibe. Tatsächlich, das waren Stimmen, dazu gedämpfte Musik.
»Das ist ein Fernseher«, sagte er nach einer Weile. Wasser plätscherte im Nachbargarten. Hans sah durch die Zweige der Douglasfichte einen älteren Mann im Unterhemd mit einem Wasserschlauch. Das Fest habe gestern abend stattgefunden, sagte der Mann, es sei schrecklich laut gewesen, am liebsten hätte er die Polizei geholt. Er war immer noch zornig.
»Wenn Ihnen niemand öffnet, ist das wohl ein Zeichen, daß niemand zu Hause ist«, sagte er mit zänkischer Logik.
Solche Dinge kommen vor und sind eigentlich der Rede nicht wert, aber an diesem Abend hätte dieser Fehlschlag dann doch nicht passieren dürfen. Ina hatte sich Mühe gegeben und sah so elegant aus, wie es
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