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Kerrion 3 - Traumwelt

Kerrion 3 - Traumwelt

Titel: Kerrion 3 - Traumwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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müssen, »ist der Mensch einer luftdicht verschlossenen Flasche vergleichbar, bis zum Rand mit seiner Eigensubstanz ausgefüllt, alles immer nur aus sich selbst entwickelnd, jedes Gefühl, jede Emotion, Liebe, Haß und Furcht immer ausschließlich aus der eigenen Substanz bestreitend - oder ist er vielmehr eine leere Flasche, und zwar eine offene, die nichts enthält, was nicht von außen hineingegossen wird: als Erfüllung, als Anfüllung, als Eingebung, als Erleuchtung gar, wenn der Blitz in die Flasche fährt - was glauben Sie? Es gibt diese beiden Schulen: der Mensch ist nichts als er selbst, das ist die eine, die andere: der Mensch ist nur Sammelbecken für alles, was in ihn hineinfließt.«
    »Er ist nur Sammelbecken und leere Flasche«, sagte Frau Mahmouni mit Bestimmtheit, »ich kann das beurteilen, denn ich muß nur mich selbst betrachten. Ich habe und hatte niemals an Sex ein Interesse - ich war und bin in dieser Hinsicht ein leeres Gefäß, aber ich bin kein abnormer Mensch, ich bin normal, bin vollkommen gesund und bei Verstand, und das zeigt, daß die Neigung zur physischen Liebe von außen nicht in mich hineingeflossen ist. Die Flasche war leer und blieb leer, hätte aber jederzeit angefüllt werden können. Das fand eben einfach nicht statt; da gibt es nichts zu bedauern, denn die leere Form ist auch in sich schön - man kann in Becken und Flaschen und dergleichen die widerwärtigste Brühe hineinfüllen. Das ist bei mir unterblieben.«
    Alle stimmten ihr zu. Sie habe recht. Sei es nicht sogar so, daß beim Küssen die Seele des Küssenden von einem Mund zum andern springe - und das sei schließlich nur möglich, wenn im Innern des Menschen Platz sei, sonst trete durch eine weitere Seele unweigerlich eine innerliche Überfüllung ein.
    Hans war, als sei es Souad, der da spreche, ohne daß er ihn sah. Er mußte ihm zustimmen: So war es tatsächlich zwischen Ina und ihm gewesen, da sprangen die Seelen beim Küssen zwischen ihnen hin und her und ließen sich auf den speichelnassen Lippen und der Zunge des anderen einen Augenblick nieder - deswegen, so fiel Hans jetzt ein, hatte diesen wilden Küssereien das Element der Lüsternheit gefehlt, es war kein wollüstiges Genießen dabei gewesen, sondern ein andächtiges, geradezu frommes Den-Anderen-Auffressen.
    Das war freilich vorbei. Wann hatte er Ina zum letzten Mal geküßt? Im Schlaf jetzt stellte sich kein Bild davon her. »Der Mensch ist vollkommen hohl und besteht nur aus Hohlräumen«, sagte Barbara lehrhaft, nicht nur die Adern und der Darm und der Bauch und die Lungen seien hohl, sondern letztlich jede Zelle, auch die vermeintlich guten Fleischstücke bestünden nur aus Aneinanderreihungen winziger Hohlräume. Sie sagte das genauso piepsend-triumphierend, wie sie sonst irgendeinen Fund aus der Illustrierten vorlas. Hans erinnerte sich, daß sie diesen Artikel über die menschliche Hohlheit und die vielen Hohlräume tatsächlich einmal vorgelesen hatte, in amüsierter Empörung darüber, daß so gar nichts an ihrem Körper dran sein sollte - als sei es ihr Mann, der diesen Artikel eigens geschrieben habe, um sie zu ärgern.
    Und jetzt trat noch ein anderes Bild vor die inneren Augen des Schläfers. Die Gesellschaft verpflanzte sich mit der Mühelosigkeit, wie sie in Träumen üblich ist, in die dunklen Uferanlagen des Mains und befand sich alsbald zwischen dem blinkenden nächtlichen Strom und einem Restaurantpavillon, der mit vielen roten chinesischen Laternen festlich beleuchtet war. Dies Restaurant, so verheißungsvoll und vielversprechend es dalag, war immer leer, so hatte Hans festgestellt, als er die Gegend erkundete, ein leerer, aufwendig beleuchteter kleiner Palast, zumindest in der Nacht sah das so aus, tags war das Gebäude recht hinfällig, da wurde klar, warum niemand dort sitzen wollte. Voller Laternen wurde der ganze Pavillon nachts selbst zur großen Laterne, die von der Gesellschaft ernsthaft betrachtet wurde.
    »Das ist der Mensch«, sagte Frau Mahmouni und zeigte auf den menschenleeren Restaurantpavillon, »ein Haus, mit Besen gereinigt und mit Lampen erleuchtet und leer und in Erwartung.« Der Hall dieses Wortes verwandelte sich in eine bequeme Rutschbahn, auf der Hans endlich in tiefere Regionen des Schlafes glitt.
    *
    Für den nächsten Abend waren sie eingeladen. Der sportliche Kollege im Büro hatte eine Deutsche kennengelernt, die eine über Bett und Badewanne hinausgehende Wohnung ihr Eigen nannte, genau genommen ein großes

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