Kerrion 3 - Traumwelt
Haus, und nun hatte sich sogar herausgestellt, daß von dieser Frau Linien zu Frau von Klein führten, über irgendwelche Bekanntschaften hinweg. Frau von Klein erklärte am Telephon diese Einladung für »sehr wichtig« und konferierte mit Ina, was da anzuziehen sei. Man erinnert sich, daß Hans und Ina einig gewesen waren, in Frankfurt kein solches Gesellschaftsleben beginnen zu wollen wie in Hamburg und daß sie sich gegenseitig versichert hatten, wie froh sie doch sein müßten, in Frankfurt niemanden zu kennen.
Aber nun zeigte Ina in einem Ernst, der nicht von ihr weichen wollte, daß sie sich auf diese Einladung freute und daß die Kombination der Gastgeber ihr besonders bedeutsam vorkam. Der Sportsmann war mit Hans verbunden, seine Freundin hingegen mit Frau von Klein! Das ließ etwas zusammenfinden, was sonst auseinanderstrebte.
Das Fest sollte am Sonntagabend stattfinden. Hans konnte nach den nächtlichen Aventüren ausschlafen, und das gelang ihm auch. Er schlief in die wachsende Hitze hinein, die dem Schlaf am Tag auf einmal gar nicht hinderlich war. Als er erwachte, war Ina längst aufgestanden und saß angezogen und telephonierend an einem Frühstückstisch, den sie schon wieder abräumte, als ihre Mutter anrief.
Schade, dachte Hans, wußte aber noch nicht, worauf dies Bedauern sich bezog. Im Badezimmer wurde es ihm klar. Er hatte mit Ina im Bett liegen und in der morgendlichen Trödelei allmählich in Zärtlichkeiten hineingeraten wollen, um schließlich spielerisch, geradezu beiläufig, wie sich das bei ihnen entwickelt hatte, mit ihr zu schlafen. Das war eine Stimmung, eine Laune, eine Geneigtheit gewesen, aber jetzt, wo der Augenblick verpaßt war, wurde etwas anderes daraus. Die hinter der Nonchalance versteckte handfeste Lust regte sich, man möchte sagen, mürrisch. Ihr war der Kopf abgeschlagen, nun hockte ihr Rest stumpf und drängend in seinem Körper und schuf dort eine ungute Spannung. Die war sogar in den Händen spürbar, als wäre in die Blutgefäße etwas hineingegossen worden, das sie dick werden ließ. Schlechte Laune, die eigentlich die notwendige Folge dieser körperlichen Verstimmung gewesen wäre, wollte er sich nicht gestatten. Statt des-sen faßte er beim Rasieren den ruhigen Entschluß, Ina auf je-den Fall noch vor dem Ausgehen ins Bett zu bekommen. Das war jetzt ein Programmpunkt geworden, so wie er gleichfalls vor dem Ausgehen noch seine Mails beantworten und einen Kleiderhaken im Badezimmer anbringen wollte, worum Ina ihn nun schon tagelang bat.
Nachdem er gefrühstückt hatte, wünschte Ina spazieren zu gehen, ein selten geäußerter Wunsch. Es war Hans einen Augenblick lang, als spüre sie, was sie in der Wohnung über kurz oder lang erwarte. Er hatte recht einsilbig bei seinem Kaffee gesessen. Gut, gingen sie also spazieren.
Auf der Straße empfing sie die nun schon vertraute Ofenhitze. Man werde noch bedauern, wenn es dann irgendwann doch einmal kühler würde, sagte Hans, und Ina stimmte ihm zu, in diesem Punkt war man sich also einmal einig, Sie waren nicht die einzigen, die bei diesem Wetter am Fluß promenieren wollten. Eine leicht bekleidete Menge schob sich die Kais entlang, auf den Rasenflächen lag man ausgezogen. Es war, als habe der von Wittekind geforderte innerstädtische Flußbade-betrieb schon begonnen. Vom Wasser kam keine Erfrischung. Über die Gasse, die der Fluß zwischen die Stadtteile legte, blies es warm. Der Fluß roch nicht schlecht, aber auch nicht gut, wie ein stehender Tümpel voller Mücken, man konnte sich den Geschmack eines Fisches aus diesem Wasser vorstellen. Auf dem Deck eines Hausbootes tranken sie Eiskaffee. Das war wieder ein Ritardando, wie Hans empfand. Es war schon halb fünf, wie die goldenen Zeiger der Dreikönigs-Kirchturmuhr gewissenhaft anzeigten. Hans und Ina betrugen sich wie Leute in einer fremden Stadt, die bis zu einer bestimmten Verabredung die Zeit totschlagen müssen. Die Spannung machte Hans stumm, so sehr er sich auch bemühte, nicht unfreundlich zu sein. Vielleicht wäre es seinem geheimen Wunsch angemessen gewesen, daß er sich um Ina besonders bemüht hätte, daß er versucht hätte, mit ihr zu lachen - was bisher eigentlich immer gelang - oder sie mit verlockenden Reiseplänen zu unterhalten oder ihr zu sagen, daß er sie schön finde, aber dies alles kam überhaupt nicht in Frage. Er fand, daß er nach dieser längeren Entbehrung als langjähriger Freund und neuer Ehemann Ina nun nicht eigens anzuwärmen und
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