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Kerrion 3 - Traumwelt

Kerrion 3 - Traumwelt

Titel: Kerrion 3 - Traumwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Genießens, für Ina jedoch eine Stunde der Wehmut und der Reue. Reue worüber? Was hatte sie in ihrem Leben zu bereuen? Welchen Menschen hatte sie verletzt, ohne seine Verzeihung erlangt zu haben, welche Chancen hatte sie nicht ergriffen, wo hatte sie den ihr vorgegebenen Weg verlassen? Hatte sie nicht mit mäßiger Disziplin, einfach aus ihrer Natur heraus, getan, was man von ihr erwarten durfte? Es war ihr jetzt, als hätte sie sich mit ihrer Heirat und dem ehelichen Leben danach schon viel zu weit von dem ihr angemessenen Lebenskreis entfernt, als bewege sie sich hier in fremden Zonen, für die sie nicht ausgerüstet sei, und als werde ihr selbst Hans hier ein Fremder. Wir ler-nen die Menschen eigentlich erst kennen, wenn wir ihnen in ihrem Milieu begegnen und plötzlich begreifen, daß sie mit ihren urpersönlichen Eigenschaften doch nur ein Mosaikstein sind und damit Teil eines großen Bildes. In Frankfurt war das Gegenteil eingetreten: Hans und Ina hatten die vertrauten Sphären verlassen, und es fiel Hans offenbar gar nicht schwer, sich anderswo einzufinden. Daß er mit Leuten wie den Wittekinds zurechtkam, war eine verstörende Entdeckung, die dazu aufforderte, ihn, den sie zu kennen meinte, vollkommen neu zu deuten. An die Wohnung würde sie sich nie gewöhnen. Sie hatte um diese Folge von Zimmern regelrecht geworben, hatte sie sich anverwandeln wollen, und jetzt sah sie, daß die Wohnung sich zu wehren begann und sie abschuppte wie eine abgestorbene Substanz. Wie anders war das Leben mit ihrer Mutter am Golf von Neapel gewesen, in einer Umgebung von lässigem Luxus, mit einem Tagesablauf, der von klösterlicher Präzision war und der außerhalb von Klöstern nur durchgehalten wird, wo die Notwendigkeit besteht, eine Riesenmenge Zeit totzuschlagen. Immer hatte man gerade nur eine knappe Stunde, um sich hinzulegen, weil man sich schon wieder für eine Mahlzeit oder einen Ausflug fertigmachen mußte. Frau von Klein schwamm gern und war deswegen in noch höherem Maße als sonst mit der Wiederherstellung ihrer Frisur beschäftigt - das Vernichten und Auftürmen des Haarhelms nahm viele Stunden in Anspruch, auch einer besonderen Lieblingsbeschäftigung, der Umlegung von Friseurterminen, konnte nachgegangen werden, das war meist Inas Aufgabe, die als wesentlichen Gewinn ihres Kunstgeschichtsstudiums ein recht flüssiges Italienisch vorweisen konnte. Es war lästig, wenn man es vor sich hatte, dies Umbestellen, aber welcher
    Friede ging in der Erinnerung davon aus! Unwichtiges mit wichtiger Miene betreiben zu dürren und sich in einer Welt autzuhalten, in der es andere als unwichtige Wichtigkeiten gar nicht gab, das erschien ihr jetzt als Inbegriff des Heimatgefühls. Und war die richtige Welt, die Welt eben, aus der sie stammte und in der sie jene Person geworden war, mit der sie es jetzt zu tun hatte, nicht nur durch ein Häutchen, hauchdünn wie das in der Eierschale, von ihr geschieden? So wie man war, wie man leben sollte - das war ja nicht verloren, das lockte im Reich des Greifbaren. Morgen schon, in jedem ihr beliebigen Augenblick, könnte sie in dies Reich wieder eintreten. Es würde zwar Ballast an ihr hängen, man würde ihr anmerken, daß sie einmal fort gewesen sei, aber sie würde gewiß schnell heilen.
    Daß Frau von Klein den Menschen, die mit ihr lebten, gerade noch die Atemluft an eigenem Freiraum zugestand, das war vielleicht gut. Die Vortrefflichkeit solch lückenloser Eingespanntheit war als Schutz jedenfalls überhaupt nicht zu unterschätzen. Hans ahnte nicht einmal, was Schutz war. Wenn sie jetzt an ihn dachte, dann erschien er ihr wie in einer Traumsequenz: Sie versinkend in einem pechschwarzen Moor, er weit von ihr der roten Sonne entgegengehend, singend und pfeifend und taub für ihre Schreie, und, nachdem er sie schließlich gehört hatte, auf die für Träume bezeichnende Weise daran gehindert, zu ihr zu gelangen, mit den Füßen festgeklebt, ein Bild der Unfähigkeit und des ohnmächtigen Bedauerns.
    Ina wanderte wieder stadteinwärts. Sie war in dem Alter, in dem ein verschwitztes junges Mädchen noch hübscher aussehen kann, als wenn es sorgfältig zurechtgemacht Kühle ausstrahlt, der Schweiß ist dann wie Tau auf dem Rosenblatt oder der Firnis, der den Ölfarben Frische und Tiefe verleiht. Aber sie sah sich ja nicht und fühlte sich schmutzig und elend, und tatsächlich hatte sie nicht einmal ein paar Münzen dabei, um sich an der Eisbude, an der sie vorbeikam, ein Zitroneneis zu

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