Kerstin Dirks & Sandra Henke - Vampirloge Condannato - 01
erinnert werden würde?
Vielleicht stand Tammy schon bald vor einer ähnlichen Entscheidung wie Sophie damals. Dorian war sehr wohl in der Lage Samantha mit seinem vampirischen Charisma um den kleinen Finger zu wickeln und sie auch noch glauben zu lassen, einen großen Fang gemacht zu haben. Tamara fühlte sich verantwortlich für Sammy Jo. Sie musste ihre jüngere Schwester vor dem Schicksal bewahren, das Dorian für sie geplant hatte. Aber wie sollte Tammy das anstellen, wenn sie sich weigerte, die Memoiren weiterzulesen?
„In was bist du nur hineingeraten, Sophie?“, murmelte Tamara. „Und warum werden ich und meine Familie mit hineingezogen, obwohl die Ereignisse sehr weit zurückliegen?“
Unentwegt grübelte sie darüber nach, selbst während der zahlreichen Meetings, sodass ihr Chef sie schon in einer Kaffeepause zur Seite nahm und fragte: „Ist jemand in Ihrer Familie gestorben? Sie wirken geistesabwesend.“
„Gestorben? Nein“, antwortete sie verlegen und fügte in Gedanken hinzu: ‚Noch nicht’.
Eventuell hatte Dorian auch vor, die Malts und auch Marcus zu Vampiren zu machen. Tammy konnte das zwar nicht glauben. Doch was wusste sie schon über diesen Mann?
Wenn die Blutsauger Anwärter ausbildeten, wie Marcus einer war, hatten sie wohl kaum Nachwuchssorgen. Nein, das konnte es nicht sein. Es fehlte noch ein Puzzleteil, ein sehr wichtiges, damit Tammy verstehen konnte, was vor sich ging.
Kalestra! Sie erschauderte bei dem Namen und gleichzeitig stieg eine tiefe Traurigkeit in ihr auf, denn die Vampirin war Dorians Gefährtin, ein Platz, den Tamara gerne eingenommen hätte – trotz aller Widrigkeiten. War sie tatsächlich süchtig nach dem reifen Vampir mit dem unwiderstehlichen Charisma?
„Du denkst schon wieder an diesen geheimnisvollen Mann, von dem du mir nicht erzählen willst, wer er ist. Habe ich Recht?“, hatte Sally sie in der Mittagspause gefragt.
Genervt rollte Tammy mit den Augen. „Ist es so offensichtlich?“
„Hast du ihn zur Rede gestellt, wie ich dir geraten hatte? Angriff...“ „...ist die beste Verteidigung“, führte Tamara den Satz zu Ende. „Ja, aber das Treffen hat mehr neue Fragen aufgeworfen als Antworten gebracht.“ Sally legte ihr die Hand auf die Schulter. „Das hört sich alles gar nicht gut an. Wenn ich ehrlich sein soll, vergiss ihn. Ich sehe, dass du leidest und du hast das nicht nötig.“
„Wenn das mal so einfach wäre.“
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Sandra Henke & Kerstin Dirks Begierde des Blutes
„Oh, du bist schon abhängig von ihm. Muss ja ein toller Hengst sein.“ „Du verstehst das nicht“, hatte Tammy erwidert und sich entschuldigt, um das WC aufzusuchen.
Es ging um mehr als nur um eine Liebesbeziehung. Elisabeth, George und Samantha Malt und ebenso Marcus Livingston und sogar sie selbst waren Marionetten und Dorian der Puppenspieler. Ob ihre Eltern mehr wussten als Tamara? Sie würde nicht drum herum kommen, ihre Mutter und ihren Vater zu fragen. Aber wie um alles in der Welt sollte sie das Thema „Vampire“ auf den Tisch bringen?
Am Freitagabend fasste sie sich endlich ein Herz und entschloss sich, zur Malt’schen Villa nach Richmond-up-Thames zu fahren. Aber die British Railway wollte sie nicht benutzen. Zu tief hatte sich die Angst, die sie empfunden hatte, als sie nach dem ersten Meeting betreffend der Restaurantkette nach Hause gefahren war, in ihre Erinnerung eingebrannt. „Auch falls es nur Verfolgungswahn war, die Qual mute ich mir nicht erneut zu.“
Tammy ging zum Taxi-Stand und stieg in ein Taxi. Zur Vorsicht hatte sie Wäsche mitgenommen, um im Notfall bei ihren Eltern übernachten zu können, denn sollten Elisabeth und George Malt nicht ausflippen, würde es eine lange Nacht werden. Sie stellte sich auf endlose Diskussionen ein. Besonders Samantha würde sich nur schwer von der Gefahr, die von Dorian ausging, überzeugen lassen.
Während das Taxi in den Südwesten Londons fuhr, strich Tamara über den Ledereinband des Buchs, das auf ihrem Schoß lag. Die Memoiren waren der beste Beweis. Etwas braute sich hinter dem Rücken der Malts zusammen, etwas, das bald über sie hereinbrechen würde. Aber Tammy wollte alles geben, um das Unheil abzuwenden! Nur gegen Dorian kannte sie kein Mittel. Sie liebte ihn. Das war ihr persönliches Unglück!
Erleichterung breitete sich in Tammy aus, als sie an der Villa in der Nähe des Marble Hills Parks im Südwesten Londons ankam. Sie bezahlte das Taxi, lief die Treppenstufen hoch und schloss die
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