Kerstin Dirks & Sandra Henke - Vampirloge Condannato - 01
Tür auf.
„Oh, alle sind schon gegangen“, sagte Patricia, die Hausdame, die gerade im Flur die Lichter entzündete, da draußen bereits die Sonne am Horizont verschwand, als hätte sie es heute eilig.
Irritiert frage Tamara: „Was soll das heißen? Wohin sind sie gegangen?“ „Wahrscheinlich dachten ihre Eltern, Sie würden gleich zum Gestüt 'Ride through time' kommen und nicht erst hierher, sonst hätten doch alle auf Sie gewartet." Patricia lächelte verlegen.
Vor Schreck ließ Tammy ihre kleine Reisetasche fallen. „Wer ist alles dorthin gegangen und warum zur Hölle?“
Patricia missbilligte die Wortwahl und zog abfällig die Augenbrauen hoch. „Elisabeth, George und Samantha Malt und Marcus Livingston. Sie wurden von Mister Dorian Everheard zu einem Empfang geladen. Wussten Sie nichts davon?“
„Rufen Sie mir bitte ein Taxi. Ich fahre sofort zum Gestüt.“ Tammy fühlte sich wie gelähmt. Der Puppenspieler hatte an den unsichtbaren Fäden gezogen und die Marionetten tanzten bereits nach seiner Pfeife. Tamara
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wurde fast wahnsinnig vor Angst. Ihre Familie befand sich mitten unter Vampiren. Die Nacht brach herein. Das Haus der „Loge Condannato“ würde zur Gruft für sie werden. Das durfte nicht geschehen! Wie konnte Dorian nur so weit gehen? Welches furchtbare Geheimnis trieb ihn dazu? Mit zitternden Beinen stieg Tammy ins Taxi, das Lederbuch unter dem Arm. „Zum Gestüt ‚Ride through time’ in Richmond, bitte“, sagte sie und bat den Fahrer, das Licht im Taxi anzuschalten. Sie musste dringend weiterlesen!
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„Führt uns zur ‚Loge’ oder schickt Elisa ins Verderben. Ihr habt die Wahl.“ Ignatius baute sich vor mir auf und grinste triumphierend. Eingeschüchtert sank ich in meinen Stuhl zurück und schluckte den dicken Kloß herunter, der sich in meinem Hals gebildet hatte. Ein Blick zu der naiven Elisa, die nichts ahnend zwischen Tür und Angel stand und sich auf einen aufregenden Ausflug nach London freute, kroch Übelkeit in mir herauf.
Was sollte ich nur tun? Wie immer ich mich auch entschied, jemand, den ich liebte, würde leiden. Die Vampire konnten sich zumindest wehren, Ignatius und seinen speichelleckenden Gehilfen vielleicht sogar in die Flucht schlagen? Elisa hingegen war so hilflos wie ein Lämmchen, das nicht ahnte, dass es auf der Welt Böses gab. Sie besaß das Gemüt eines Kindes und war genauso leichtgläubig. In Ignatius Händen war sie Wachs. Ich wusste, sie würde alles tun, um ihm zu gefallen.
Vor meinem geistigen Auge sah ich Elisa in Ketten auf einem Strohballen liegen, von Fremden bespuckt und mit Steinen beworfen. Gott, dieses Bild tat mir im Herzen weh! Nein, ich durfte nicht zulassen, dass Ignatius sie ins Unglück stürzte.
„Also gut, Ihr habt gewonnen. Ich führe Euch zur ‚Loge’. Ich bitte Euch nur um eines, verschont meine Schwester.“
Samuel nickte ernst. „Ihr habt mein Wort darauf. Dango, bringe Elisa in ihr Zimmer zurück und besorge uns schnelle Pferde.“
„Jawohl, Mister Ignatius.“
Dango fasste Elisa am Oberarm und zog sie hinter sich her. „Ich dachte, wir wollen verreisen?“
„Unsere Pläne haben sich geändert, Miss“, hörte ich den schmierigen Gehilfen draußen im Flur sagen, bevor er die Tür hinter sich zuknallte. Mit einem zufriedenen Lächeln nahm Ignatius die Holzpflöcke vom Tisch und stopfte sie in seine Tasche. Erhaben schritt er an mir vorbei zu seinem Bett und zog die Armbrust unter dem Holzgestell hervor. Beinahe zärtlich streichelte er den Spannhebel, als wäre die Waffe seine Geliebte.
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„Ihr habt eine weise Entscheidung getroffen, Sophie. Ich bin stolz auf Euch. Der Herrgott wird es Euch danken.“
Hätte er in mich hineinsehen können, hätte er gewusst, wie sehr mein Herz blutete. Ich fühlte mich miserabel, denn ich beging Verrat an dem Mann, den ich über alles liebte. Doch Ignatius ließ mir keine andere Wahl. Elisa würde die Behandlung im Tollhaus nicht überleben.
Wenige Augenblicke, nachdem er verschwunden war, kehrte Dango zu uns zurück. „Die Pferde stehen bereit, Mister Ignatius. Wir können aufbrechen.“ Und das taten wir. Ich ritt voraus und führte die Männer nach Richmond. Kurzweilig spielte ich mit dem Gedanken, einfach davonzureiten oder Ignatius in die Irre zu führen. Doch ich wusste, seine Rache würde Elisa zerstören. Ich konnte nichts ausrichten. Was immer ich mir
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