Kesrith – die sterbende Sonne
geschlungen. Er stützte den Kopf auf und entspannte sich endlich genug, um eine Weile zu schlafen, jetzt, da Melein sich niedergelassen hatte. Sie war beinahe in Ohnmacht gefallen, bevor sie in diesem Versteck angehalten hatten, und war stärker beladen und verwundet gewesen, als sie zugeben wollte. Sie hatte sich von den beiden Männern entfernt und sich in die Abgeschiedenheit der Felsen zurückgezogen und dabei lange Stoffstreifen mitgenommen. »Ich denke, daß sie meiner Seite helfen werden«, sagte sie. Und da es keine Kath'en oder Kel'e'en gab, die sie pflegen konnte, pflegte sie sich selbst. Niun fürchtete sehr, daß ihre Rippen gebrochen waren oder zumindest angeknackst. Er machte sich Sorgen und empfand eine tiefe, kalte Furcht, die er nicht loswurde.
Aber sie war zurückgekommen, die Hand gegen die Seite gepreßt, hatte dünn gelächelt und bekanntgegeben, daß sie sich etwas besser fühlte und erwartete, schlafen zu können. Und die Spannung von Niuns Nerven ließ nach, als er sah, daß sie es wirklich konnte, daß ihre Schmerzen nachgelassen hatten.
Die Furcht verschwand nicht.
Er ertrug Duncans Gegenwart, und die Angst vor irgend etwas, das Duncan ihm antun konnte, war weit geringer als die Furcht um Melein, davor, sie zu verlieren, allein zu enden.
Der letzte Mir.
Er träumte vom Edun, dessen Türme im Feuer zerbröckelten, erwachte und klammerte die glatte Form des Pan'en an sich in der Furcht, daß auch er in die Dunkelheit fiel.
Aber er saß im Sand, das Dus reglos hinter sich. Der Jo stürzte sich mit einem geschickten Sprung auf eine Eidechse, trug sie zu seinem Kopf-nach-unten Platz auf dem Felsen, umhüllte seine Mahlzeit mit seinen gefleckten Flügeln und verspeiste sie mit einer geschäftigen und zierlichen Bewegung, schluckte die Eidechse Stück für Stück hinunter.
Niun plazierte das Pan'en neben sich, so daß er es ständig an sich spüren konnte, und lehnte den Kopf an das Dus. Er fiel wieder in Schlummer und erwachte mit einem unangenehmen Hitzegefühl. Er blickte der voranrückenden Linie des Sonnenlichtes entgegen, die bis zu Duncan vorgedrungen war, und sah, daß sie diesen bis zur Taille bedeckte und auf die nackte Haut von Knie und Hand fiel. Der Mensch regte sich nicht.
»Duncan«, sagte Niun. Er erzielte keine Reaktion und bewegte sich zögernd selbst, beugte sich vor und schüttelte den Menschen. »Duncan!«
Braune Augen starrten zu ihm empor, verwirrt und von der Hitze verschleiert.
»Die Sonne, dummer Tsi'mri, die Sonne. In den Schatten!«
Duncan schob sich an eine andere Stelle und brach wieder zusammen, riß den Schleier weg und legte das nackte Gesicht in kühleren Sand. Die Augen blinzelten, und die Empfindsamkeit kehrte in sie zurück, als Niun seinen Platz wieder einnahm.
»Geht es weiter?« fragte der Mensch mit schwacher Stimme.
»Nein. Schlafe!«
Duncan hob den Kopf und richtete den Blick auf Melein, legte den Kopf wieder mit Blick auf Niun hin. »Irgendwo«, sagte er leise flüsternd, »wird mein Volk jetzt schon auf Kesrith gelandet sein. Sie braucht medizinische Hilfe. Du weißt das. Wenn wir sicher sein könnten, daß die da oben Menschen sind – könnten wir mit einem Flugzeug Verbindung aufnehmen. Hör zu: der Krieg ist vorbei. Ich glaube nicht, daß du uns gut genug kennst, um es zu glauben, aber wir pflegen nicht, Dinge darüber hinaus zu verfolgen. Keine Rache. Kein Krieg. Komm mit mir! Nimm mit meinem Volk Verbindung auf! Es würde Hilfe für sie geben. Und keine Vergeltung. Keine.«
Niun lauschte den Worten geduldig und glaubte zumindest, daß Duncan glaubte, was er sagte. »Vielleicht ist es sogar wahr«, antwortete er. »Aber sie würde das niemals akzeptieren.«
»Sie wird sterben. Aber wenn sie Hilfe...«
»Wir sind Mri. Wir nehmen keine Arzneimittel außer unseren eigenen. Sie hat getan, was entsprechend unserer eigenen Wege getan werden konnte. Sollen Fremde sie berühren? Nein. Wir leben oder wir sterben, wir heilen oder wir heilen nicht.« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht ist unser Weg, mit Dingen umzugehen, nicht einmal weise. Ich dachte manchmal, daß er es nicht ist. Aber wir sind die letzten, und wir halten uns an das, was alle unsere Vorfahren beachtet haben. Alles andere hat jetzt keinen Nutzen mehr.«
Und er fing an, daran zu denken, was Melein geplant hatte, und daß sie diesen letzten kleinen Sieg über die Tsi'mri errungen hatten, daß sie die Heiligkeit und die Geschichte ihrer Art an sich gebracht hatten, und seine
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