Ketzer
vollkommen überrumpelt, was zweifellos in seiner Absicht gelegen hatte. Mit meinem Eintritt ins Kloster San Domenico Maggiore hatte ich zwar meinen Taufnamen abgelegt und den Mönchsnamen Giordano angenommen, mich jedoch während meiner Reisen gelegentlich meines wahren Namens bedient. Dass Walsingham mich jetzt damit anredete, war eine kleine List, um mir das Ausmaß seines Wissens zu demonstrieren, und er war mit ihrer Wirkung sichtlich zufrieden. Doch ich gewann meine Fassung rasch wieder.
»Ich weiß, dass nur ein Narr versuchen würde, etwas vor einem Mann verbergen zu wollen, der mir nie begegnet ist und mich trotzdem mit dem Namen anspricht, den mir meine Eltern gegeben und den ich zwanzig Jahre nicht benutzt habe.«
Walsingham lächelte.
»Dann wisst Ihr alles, worauf es momentan ankommt. Und ich weiß, dass Ihr kein Narr seid. Leichtsinnig vielleicht, aber
kein Narr. Soll ich Euch jetzt sagen, was ich über Euch weiß, Doktor Giordano Bruno aus Nola?«
»Bitte – solange Euer Ehren mir gestatten, die Wahrheit von bloßen Gerüchten zu trennen.«
»Nun gut.« Walsingham nickte nachsichtig. »Ihr seid als Sohn eines Soldaten in Nola in der Nähe von Neapel geboren und als Jugendlicher mit siebzehn ins Kloster San Domenico Maggiore eingetreten. Etwa elf Jahre später habt Ihr den Orden verlassen und seid auf der Flucht vor der Inquisition, die Euch der Ketzerei verdächtigte, drei Jahre lang durch Italien gereist. Später habt Ihr in Genf und in Frankreich gelehrt, ehe Ihr zum Günstling von König Henri III. wurdet. Ihr lehrt die Kunst der Gedächtnisschulung, die viele als eine Art von Magie betrachten, und Ihr seid ein leidenschaftlicher Verfechter von Kopernikus’ Theorie, der zufolge sich die Erde um die Sonne dreht, obgleich sowohl Rom als auch die Lutheraner diese Idee als Ketzerei bezeichnen.«
Nach Bestätigung heischend blickte er mich an, und ich nickte konsterniert.
»Euer Gnaden wissen sehr viel von mir.«
Wieder lächelte er.
»Das in Erfahrung zu bringen war nicht weiter schwierig – als Ihr kurz in Padua Halt gemacht hattet, habt Ihr Euch mit einem englischen Höfling namens Philip Sidney angefreundet, nicht wahr? Nun – dieser junge Mann wird in Kürze meine Tochter Frances heiraten.«
»Euer Gnaden könnten keinen würdigeren Schwiegersohn finden, da bin ich mir sicher. Ich freue mich, ihn wiederzusehen«, sagte ich und meinte es auch so.
Walsingham nickte.
»Nur aus bloßer Neugier – warum habt Ihr das Kloster verlassen?«
»Weil ich auf dem Abtritt Erasmus gelesen habe und dabei ertappt wurde.«
Er starrte mich einen Moment lang an, dann warf er den Kopf
in den Nacken und prustete los; mit einem tiefen, grollenden Geräusch, das ein Bär von sich geben würde, wenn er lachen könnte.
»Und ich besaß auch noch andere Bücher, die auf der Verbotsliste der Inquisition stehen. Sie wollten mich vor dem Vater Inquisitor verhören lassen, aber vorher bin ich geflohen. Deswegen wurde ich exkommuniziert.« Ich faltete beim Gehen die Hände hinter meinem Rücken und dachte, wie eigenartig es doch sei, jene Tage hier in diesem grünen englischen Garten wieder aufleben zu lassen.
Walsingham betrachtete mich mit undurchdringlicher Miene, anschließend schüttelte er den Kopf, als verwirre ihn irgendetwas.
»Ihr fasziniert mich, Bruno. Ihr seid vor der Inquisition, die Euch der Ketzerei bezichtigte, aus Italien geflohen, und trotzdem wurdet Ihr in Genf wegen Eurer Überzeugungen von den Calvinisten verhaftet und vor Gericht gestellt, nicht wahr?«
Ich neigte den Kopf.
»Die Sache in Genf kann man als Missverständnis bezeichnen. Ich habe festgestellt, dass die Calvinisten nur ein blindes Dogma gegen ein anderes ausgetauscht haben.«
Wieder musterte er mich, diesmal mit einem Anflug von Bewunderung, ehe er lachend abermals den Kopf schüttelte.
»Ich habe noch nie einen Mann kennen gelernt, der es geschafft hat, sich vom Papst und von den Calvinisten der Ketzerei beschuldigen zu lassen. Das ist eine einzigartige Leistung, Doktor Bruno! Was mich zu der Frage führt, welcher Religion Ihr nun eigentlich anhängt?«
Eine kleine Pause trat ein, während der er mich erwartungsvoll und zugleich ermunternd ansah.
»Euer Ehren wissen, dass ich kein Freund Roms bin. Ich versichere Euch, dass meine Loyalität in jeder Hinsicht Ihrer Majestät gilt und ich während meines Aufenthalts in ihrem Reich ihr treuer Diener sein werde.«
»Ja, ja, Bruno – ich danke Euch, doch das ist
Weitere Kostenlose Bücher