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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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könnt, alles, was die schottische Königin und ihre französischen Verschwörer betrifft …«, er breitete seine Arme weit aus, »… Briefe, auf die Ihr einen Blick erhaschen könnt, kann für uns von größtem Wert sein, auch wenn es Euch unwichtig vorkommen mag.«
    Er sah mich mit fragend hochgezogenen Brauen an.
    Ich zögerte.
    »Es schmeichelt mir, dass Euer Ehren so viel Vertrauen in mich setzen …«
    »Aber Ihr habt natürlich Skrupel«, unterbrach er mich ungeduldig. »Und ich könnte keinen Mann achten, der keine hat – immerhin bitte ich Euch, falsches Spiel mit Euren Gastgebern zu treiben, und ein ehrlicher Mann sollte es sich gut überlegen, ob er in eine solche Rolle schlüpfen will. Vergesst indes nicht, Bruno – immer wenn Ihr Euch zwischen Eurem Gewissen und Eurer Pflicht hin- und hergerissen fühlt, solltet Ihr Eurem Herzen und Eurem Verstand folgen. Die Unschuldigen haben nichts vor uns zu befürchten.«

    »Das ist es nicht, Euer Ehren.«
    »Was denn dann?« Er wirkte ratlos. »Philip Sidney sagte mir, Ihr wärt ein dermaßen erbitterter Feind Roms, dass Ihr Euch gern dem Kampf gegen jene anschließen würdet, die die Inquisition auch in unser Land bringen wollen.«
    »Ich bin ein Gegner Roms, Euer Ehren, so wie ich ein Gegner eines jeden bin, der den Menschen vorschreiben will, was sie zu glauben haben, und sie hinrichten lässt, wenn sie es wagen, auch nur den kleinsten Teil davon in Frage zu stellen.«
    Ich schwieg einen Moment, während er mich mit schmalen Augen musterte.
    »Hier bestrafen wir die Menschen nicht für ihre Überzeugungen. Ihre Majestät hat ausdrücklich gesagt, dass sie nicht den Wunsch hat, ihren Untertanen auf den Grund ihrer Seele zu blicken, und ich teile diese Absicht. In diesem Land bringt einen Mann nicht das, was er glaubt, aufs Schafott, sondern das, was er im Namen dieses Glaubens vielleicht tut.«
    »Das, was er vielleicht tut, oder das, was man ihm nachweisen kann?«, fragte ich spitz.
    »Die bloße Absicht, etwas zu tun, ist Verrat, Bruno«, gab er ungeduldig zurück. »Hetzreden sind Verrat. In diesen Zeiten muss sogar das Verteilen verbotener Bücher als Verrat betrachtet werden, denn es geschieht in der Absicht, die zu bekehren, in deren Hände sie gelangen. Und der Versuch, die Untertanen der Königin zu bekehren, bedeutet, deren Loyalität von ihr auf den Papst zu lenken, sodass sie sich mit den Aggressoren verbünden würden, wenn katholische Truppen in unser Land einfallen sollten.«
    Einen Moment lang saßen wir schweigend da, dann legte er mir eine Hand auf den Arm.
    »Hier in England kann ein Mann mit fortschrittlichen Ideen wie Ihr frei leben und schreiben, ohne Strafen befürchten zu müssen. Deswegen seid Ihr hergekommen, wie ich annehme. Möchtet Ihr auch hier die Inquisition im Nacken sitzen haben?«

    »Nein, Euer Ehren, auf keinen Fall.«
    »Folglich werdet Ihr in die Dienste Ihrer Majestät treten?«
    Ich zögerte – überlegte, inwiefern meine Antwort meine Zukunft beeinflussen würde.
    »Ich werde ihr dienen, so gut ich es vermag«, erwiderte ich zu guter Letzt.
    Daraufhin lächelte Walsingham breit – ich konnte seine Zähne im Dämmerlicht schimmern sehen – und nahm eine meiner Hände zwischen seine beiden. Seine Haut fühlte sich pergamenttrocken an.
    »Ich kann Euch gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, Bruno. Ihre Majestät wird Euch für Eure Loyalität belohnen, sowie Ihr sie unter Beweis gestellt habt.« Seine Augen strahlten.
    Der Garten ringsum war fast vollständig in Dunkelheit getaucht, nur ein paar goldene Lichtstrahlen säumten die violetten Wolkenbänke hinter den Bäumen. Die Luft hatte sich abgekühlt, und in der leichten Brise schwang ein süßer Pflanzenduft mit.
    »Kommt, lasst uns ins Haus gehen. Was für ein schlechter Gastgeber ich doch bin – ich habe Euch noch nicht einmal eine Erfrischung angeboten.«
    Er erhob sich merklich hüftsteif und kreuzlahm und machte sich auf den Weg.
    Ein Diener hatte entlang beider Seiten des Gartenpfades Laternen angezündet, sodass unser Rückweg von zwei Reihen flackernder Kerzen erleuchtet wurde. Der Effekt war ausgesprochen romantisch, und ich sog die Abendluft in tiefen Zügen ein. Wieder einmal boten sich mir neue Möglichkeiten, eine greifbare Zukunft. Die langen Wochen, während derer ich durch die Berge Norditaliens gewandert war, in billigen, rattenverseuchten Gasthäusern übernachtet und aus Furcht vor Räubern, die es auf meine wenigen Münzen abgesehen

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