KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
hinterfragen. Und sie war viel zu müde, um Ethans Gefühle zu erraten.
Sie fing seinen Blick auf. In seinen Augen tobte die Seelenqual wie ein Orkan. Sie hielt es nicht aus und senkte den Kopf. Es kam einer Zurückweisung gleich, das war ihr klar, aber mehr, als hilflos dazusitzen, schaffte sie einfach nicht. Wie sie das hasste. Sie schloss die Augen und betete, dass sie nicht vor aller Augen zusammenbrechen würde.
»Rachel?«
Die Stimme des Arztes riss sie aus ihren Gedanken. Sie drehte sich zu ihm um. Er hielt ihr immer noch die kleinen Pillen hin.
Wieder wurde sie von Panik gepackt.
Augenblicklich war Garrett zur Stelle. Auch Ethan wollte ihr zu Hilfe kommen, zögerte dann jedoch.
»Geben Sie sie mir, Doc«, sagte Garrett. »Ich sorge dafür, dass Rachel sie ein wenig später nimmt.«
Dankbar blickte sie ihn an. Er verstand sie.
Widerstrebend stand der Arzt auf und händigte Garrett die Tabletten aus.
»Wenn Sie mich brauchen, soll Marlene anrufen. Ich komme dann sofort her, egal wie spät es ist.«
Ethan schüttelte ihm die Hand. »Danke, dass Sie so schnell hergefahren sind.«
Das geschäftige Treiben wurde ihr zu viel. Wo sie auch hinschaute, überall waren Leute. Keiner achtete auf sie, abgesehen von Ethan und Garrett. Alle waren damit beschäftigt, Informationen auszutauschen. Sie lehnte sich zurück und legte den Gips auf ihren Bauch. So erschöpft hatte sie sich im ganzen Leben noch nicht gefühlt. So vollkommen fix und fertig. Nur die Angst hielt sie davon ab, ihrem unbändigen Verlangen nach Schlaf nachzugeben.
»Bist du so weit, dass wir uns unterhalten können?«, fragte Garrett.
Sean und Sam waren ebenfalls näher getreten. Den anderen Polizisten gab Sean ein Zeichen, sie sollten Abstand wahren. Sam blieb etwas abseits stehen, doch zum ersten Mal ermunterte Rachel ihn, zu ihr zu kommen. Sie streckte eine Hand nach ihm aus.
Nach der ersten Überraschung setzte er sich neben sie auf die Couch. Ethan nahm auf der anderen Seite Platz. Sam drückte ihr die Hand. »Wir passen auf, dass dir nichts geschieht. Das weißt du, oder?«
Angesichts dessen, was ihr schon alles zugestoßen war, kam ihr die Bemerkung etwas absurd vor, dennoch gingen ihr die Worte runter wie Öl. Und sie glaubte ihm. Sie glaubte ihnen allen. Jetzt, da sie wussten, beziehungsweise es gleich erfahren würden, woher die Gefahr konkret kam, konnten sie alle zu ihrem Schutz notwendigen Schritte einleiten.
»Kannst du uns erzählen, was genau passiert ist, Rachel?«, fragte Sean.
Sie ließ Sams Hand los und massierte sich die Schläfe, um sich in dem Wust der Erinnerungen zurechtzufinden.
»Ich habe ihn erkannt«, begann sie schließlich. »Den Mann im Krankenhaus. Ich habe ihn vor einem Jahr in Südamerika gesehen. Da hat er mit Senator Castle und noch zwei Männern geredet.«
Keiner schien sonderlich überrascht. Vielleicht hatten sie die Verbindung zwischen ihrem angeblichen Tod und den jüngsten Ereignissen schon selbst hergestellt.
»Weißt du noch, worüber sie geredet haben?«, fragte Garrett.
Sie nickte. »Über Rauschgift. Senator Castle hat den Kolumbianern einen Handel vorgeschlagen. Das Drogenkartell sollte ihm ein paar Erfolge ermöglichen. Er wollte seine kompromisslose Anti-Drogen-Kampagne auf Kolumbien konzentrieren und ein paar bedeutende Siege im Kampf gegen den Rauschgifthandel vorweisen können, die ihm bei seiner Präsidentschaftskandidatur nützlich sein sollten. Zum Ausgleich wollte er ihnen die Einfuhrmöglichkeiten in die USA freihalten. Das Kartell konnte sich so einiger Konkurrenten entledigen. Beide Seiten profitierten von dem Geschäft. Castle konnte sich prima in der Öffentlichkeit präsentieren, und die Kolumbianer brachten die Drogen unbehelligt über die Grenze und bekamen dazu noch eine Monopolstellung.«
»Und das alles hast du mit angehört?«, sagte Sean.
»Ja. Wir hatten ein Zelt aufgebaut, in dem wir die Kinder geimpft haben. Ich habe mich auf die Suche nach einem Mädchen gemacht, das sich versteckt hatte. Castle und die anderen Männer standen hinter der Hütte, in der die Familie dieses Mädchens wohnte. Den Senator habe ich gleich erkannt. Ich weiß noch gut, was das für ein Schock für mich war. Er hat unsere Hilfsorganisation finanziell unterstützt, und jetzt weiß ich auch den Grund. Es war die perfekte Tarnung für ihn. Als mir klar wurde, worüber sie sich unterhielten, wollte ich mich schnell hinter einer Zisterne verstecken, aber es war schon zu spät. Der Mann, der
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