Kielwasser
von mir will.«
»Ich bring dich zu ihm und hol dich in einer halben Stunde wieder ab. Vergiss nicht, beim Betreten des Gebäudes die Mütze abzunehmen, Tomi.«
»Sonst noch was, das ich wissen muss, Schumi?«
»Den Befehlshaber kurz grüßen durch Anlegen der rechten Hand an die Schläfe. Dann sagst du: ›Herr Admiral, melde mich wie befohlen.‹ Der Rest geht von allein. Alles halb so wild. Der frisst dich nicht auf.«
Jung hatte auch gar nicht daran gezweifelt. Er fragte sich, was wohl der Anlass für Schumis Beschwichtigung gewesen sein könnte. Er schwieg und sie machten sich auf den Weg in den ersten Stock. Schumi überließ ihn der Vorzimmerdame des Befehlshabers. Sie meldete Jungs Erscheinen dem Admiral. Anschließend winkte sie ihn in dessen Arbeitszimmer.
Das Zimmer war geräumig, aber nicht groß. Für die Bedeutung eines Flottenchefs sehr zurückhaltend. Zu diesem Eindruck trug auch die auffällige Schmucklosigkeit des Raumes bei. Sie bestand im Wesentlichen aus dem Foto des amtierenden Bundespräsidenten und den links und rechts hinter dem Schreibtisch aufgestockten Flaggen des Bundes und der NATO. Dem Raum fehlten gänzlich die steife, heroische Würde und das pompöse Gepränge amerikanischer Admiralbüros. Bilder davon hatte Jung hin und wieder in Nachrichtenmagazinen und Zeitschriften gesehen. Auf ihn hatten sie bis zur Albernheit übertrieben gewirkt. Hier war das Mobiliar zweckmäßig und schlicht wie das, was er schon gestern beim A 1 gesehen hatte.
Er grüßte den Admiral, wie Schumann ihm geraten hatte und war dabei erstaunt, wie gut ihm das gelang. Der Befehlshaber erhob sich, kam hinter seinem Schreibtisch hervor und begrüßte Jung mit Handschlag.
Er war ein untersetzter, älterer Herr mit Bauch, nicht groß, nicht klein, der freundlich aus müden Augen blickte. Seine Gesichtshaut war faltig und schlaff. Seine graublonden, schütteren Haare standen ihm etwas strubbelig vom Kopf ab. Ein Friseurbesuch wäre schon seit Längerem nötig gewesen. Er wirkte überarbeitet. Seine Jacke hatte er abgelegt, sein Hemd war verknittert und spannte über seinem Bauch. Auf der rechten Brusttasche war ein schlichtes Schild angesteckt, auf dessen schwarzem Grund sein Name in Weiß eingraviert war. Ein Miniaturwappen links neben der Gravur schmückte das Namensschildchen. Darüber hinaus zierte ihn gar nichts mehr. Nur ein sehr breiter und zwei schmale Goldringe auf den Ärmeln seines über die Stuhllehne gehängten Jacketts erinnerten Jung daran, mit wem er es zu tun hatte. Die Ausstrahlung des Flottenchefs hatte wenig gemein mit der seines Offiziers, dem A 1.
»Schön, dass Sie da sind, Herr Oberleutnant. Haben Sie sich schon an Ihre neue Kluft gewöhnt?«, eröffnete der Admiral jovial das Gespräch und lächelte.
»Das braucht noch etwas Zeit. Ich habe heute Morgen zum allerersten Mal in meinem Leben eine Marineuniform angezogen.«
»Ja, ich hörte davon. Sie waren beim Heer, nicht wahr?«
»Das ist schon lange her. Die Division, aus der ich entlassen wurde, gibt es nicht mehr.«
»Ja, die Zeiten ändern sich rasant.«
Der Flottenchef bot Jung einen Stuhl am Besprechungstisch an und nahm ihm gegenüber Platz. »Sie werden sich sicherlich fragen, warum ich Sie zu mir gebeten habe«, begann der Admiral. »Lassen Sie mich gleich zur Sache kommen. Ich hole etwas aus. Bitte verlieren Sie nicht die Geduld.« Er strich sich über die müden Augen und fuhr fort: »Mein Offizier in Dschibuti hat mich nicht lange überreden müssen, Ihrer Mission zuzustimmen. Ich vertraue ihm. Wenn er Zweifel an dem Untersuchungsergebnis Ihrer Kollegen hat, dann aus triftigen Gründen. Im Wesentlichen haben mich zwei Überlegungen zum Zustimmen bewegt. Erstens: Wir tragen für die Soldaten, denen wir befehlen, in dieses Land zu fahren, die Verantwortung. Wir müssen deswegen alles wissen, was uns hilft, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Wenn einer unserer Männer freiwillig oder unfreiwillig über Bord geht, haben wir vielleicht etwas falsch gemacht und haben etwas zu lernen. Dazu müssen wir genau wissen, was passiert ist. Erst dann können wir Schritte einleiten, die einen solchen Vorfall in Zukunft unwahrscheinlicher machen. Haben Sie mich verstanden?«, fragte er müde.
»Oh ja, das leuchtet mir ein, Herr Admiral«, stimmte ihm Jung wahrheitsgemäß zu.
»Zweitens: Wir befehligen ein hochempfindliches und gefährliches Waffensystem in einer ungemein komplexen und komplizierten Gegend dieser Welt. Sehr
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