Kielwasser
schon wieder abwenden, als er innehielt und versteinert vor dem rostigen Handwaschbecken verharrte.
»… deutsch. Was wollen die hier? Nur die ältliche Tusse spricht Französisch.« Die Stimme war gedämpft und eindringlich, aber gut durch die Holzwand zu hören. Warum sprach der Maître plötzlich fließend Deutsch?
»Draußen sitzen die Gorillas von der deutschen Militärbullerei. Hast du die gesehen, Kalle? Du musst raus zu Holger und ihn warnen. Er soll bleiben, wo er ist. Besser, er verdrückt sich gleich zu Lilly. Wer weiß, wie lange die sich hier noch aufschießen. Hast du verstanden?«
»Klar. Dann musst du die Kombüse übernehmen, Paule.«
»Kein Problem. Das läuft schon.«
Holger? Holger Grenz. Das war er. Das musste er sein. Wer denn sonst? Wer waren Paule und Kalle? Jung konnte nicht glauben, was er hörte. Wer war Lilly?
»Wo ist der Chef, Kalle?«
»In Dschibuti, bei seinen alten Kumpels von der Legion. Kommt erst morgen wieder. Wir machen das schon, Paule, alles klar?«
Jungs Erregung wuchs. Seine Ohren hörten jetzt schärfer und alles gleichzeitig: das Pochen seines Herzens, das Besteckgeklappere und das Scharren von Töpfen auf ihrer Herdunterlage.
»Mach los, bevor Holger hier aufkreuzt. Beeil dich. Nimm das schnelle Teil. Es ist vollgetankt.«
»Okay, ich mach mich auf die Socken. Bis nachher, Paule.«
»Bis später, Kalle. Mach zu. Komm in die Hufe.«
Paul und Karl, die Namen im Doppelpack kamen ihm verdächtig bekannt vor. Verdammt, wo war er ihnen begegnet? Das Gespräch war verstummt und er hörte eilige Schritte auf Holzdielen, kurz darauf nur noch Küchengeräusche.
Sein Herz pochte immer noch laut, als er sich wieder zu den anderen an den Tisch gesellte. Er war mit seinen Gedanken weit weg.
Woher kannte er Paul und Karl? War Holger der Holger, den sie suchten? Ja, ja, ja und nochmals ja. Wer sollte er denn sonst sein? Wer musste vor der Militärpolizei Angst haben und sich verstecken, wenn nicht der alte KaFü Holger Grenz? Warum leugnete der Wirt, dass er Deutsch sprach?
»Was ist los, Herr Jung? Sie sind so abwesend. Dabei sind wir doch fast Kollegen, wie mir Schumi gerade erzählt hat«, sprach ihn der Jungreporter von der WZ an.
Was ist das für eine Logik, Pressefuzzi? Waren sie schon beim Du angelangt? Das ging ja schnell. Du nervst, Grinsepickel. Sag mir lieber, woher ich Karl und Paul kenne.
»Verzeihung, mir ist nicht gut«, erwiderte Jung. »Ich verzichte aufs Essen. Sie können gern meinen Wein trinken. Schumi, ich muss dich kurz unter vier Augen sprechen. Bitte entschuldigen Sie uns.«
Schumann sah Jung freundlich und besorgt an. Er folgte ihm wortlos durch das Restaurant auf den Vorplatz. Sie winkten den MPs im Jeep beruhigend zu und setzten sich in den Toyota. Es war jetzt drückend heiß im Auto, obwohl es im Schatten der Schirmakazie stand.
»Ich hab ihn, Schumi. Er ist hier.«
»Wer ist hier?«, fragte Schumann erstaunt.
»Haben die Mädels im Gepard die Namen Paule und Kalle erwähnt, als es um die Deutschen in Tadjoura ging?«
»Ja, haben sie. Aber was soll das? Bis jetzt habe ich nur den Franzosen gesehen.«
»Haben sie eine Lilly erwähnt?«
»Nein, haben sie nicht. Willst du mir nicht endlich sagen, was die Fragerei soll?« Schumann wurde ungehalten.
Jung erzählte ihm, was er in der Latrine aus der nahen Küche mitgehört hatte. Jedes Wort war in seinem Gedächtnis haften geblieben. Er konnte den Dialog auswendig aufsagen. Schumann schwieg verblüfft und erholte sich nur schwer von seinem ungläubigen Erstaunen.
»Ja, das muss er sein. Das ist ja ein Ding«, ließ er sich nach einiger Zeit vernehmen. »Vielleicht leugnet der Wirt sein Deutsch, um jeden Kontakt von vornherein abzuwenden. Wir sind Deutsche. Er will nichts mit uns zu tun haben.«
»Ich kenne ihn von irgendwoher. Ich bin mir ganz sicher. Ich weiß nur noch nicht, wann und wo ich ihm begegnet bin. Aber das wird mir schon noch einfallen.« Jung pausierte. »Jetzt aber zum Wichtigsten. Wie gehen wir weiter vor, Schumi? Uns sind die Hände gebunden.«
Schumann musste nicht lange überlegen. »Wir tun gar nichts und machen weiter, als wenn überhaupt nichts wäre. Wenn wir zurück in Dschibuti sind, informieren wir Jungmann. Der wird mit den Franzosen zusammen die nötigen Schritte einleiten. Wahrscheinlich geht das über die Militärpolizei. Aber das warten wir ab.«
»Okay, wir machen es, wie du sagst«, stimmte Jung dem Vorschlag zu.
»Lass uns zurück zu den anderen
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