Kill Order
Wagens, den sie auf dem großen Parkplatz des Einkaufszentrums abgestellt hatten.
Nikolaj hatte sich für Berlin als Treffpunkt entschieden. Er war zuversichtlich, obwohl er erwartete, dass Kusowjenko versuchen würde, ihm eine Falle zu stellen. Carmen teilte seine Zuversicht nicht. Gestern Nacht hatte sie ihn erneut versucht, davon zu überzeugen, dass sie Katzenbaum anrufen sollten, aber er wollte nichts davon hören.
Sie betrachtete die Telefonzellen, die zurückgesetzt zwischen zwei Geschäften standen. Eine junge Frau stand dort und telefonierte, zwischen ihren Füßen eine Papiertüte.
Das war ihre letzte Chance. Die letzte Chance, bevor sie nach Berlin fuhren, um sich dort mit einem übermächtigen Gegenspieler anzulegen. Unschlüssig kaute sie auf ihrer Unterlippe. Wenn sie jetzt diesen Anruf machte, konnte das alles ändern. Wenn sie es nicht tat, würde Nikolaj vielleicht sterben.
Sie wartete, bis die junge Frau fertig war, straffte die Schultern und nahm ihren Platz ein. Sie warf eine Handvoll Münzen ein, nahm den Plastikhörer ab und wählte eine Handynummer aus dem Gedächtnis.
*
Die Galerie Neuhoff lag im Parterre eines Backsteinbaus in der Weimarer Straße, schräg gegenüber einer Kirche. Ein Holztor stand offen und gab den Blick in einen gepflasterten Innenhof frei. Alte Linden schirmten die Sonne ab. Auf den Bürgersteigen raschelten die ersten gelben Blätter.
Rafiq durchquerte die Tordurchfahrt und betrat die Galerie durch eine Glastür im Hof. Polierter Parkettboden knarrte leise unter seinen Sohlen. Es roch nach Bohnerwachs und frischer Farbe. „Hallo?“, fragte er halblaut. „Hallo, ist jemand da?“
Sein Blick glitt über die großformatigen Schwarzweiß-Fotografien, die in Stahlrahmen an den Wänden hingen. Irgendwo im Gebäude klapperte eine Tür. Schritte. Rafiq drehte sich zurück in den Raum. Ein Mann tauchte auf, untersetzt und nicht mehr jung, mit hellen Augen hinter dünn gerahmten Brillengläsern. „Haben Sie gerade gerufen?“
„Guten Tag.“ Rafiq lächelte. „Sind Sie der Galerist?“
„Ich heiße Martin Scholz.“ Der Mann deutete eine kleine Verbeugung an, eine Geste mit altmodischem Charme. „Dient Ihr Besuch einem bestimmten Zweck oder“, er machte eine weit ausholende Armbewegung, „möchten Sie sich einfach nur die Ausstellung ansehen?“
„Haben Sie etwas Zeit für mich?“
„Wie Sie sehen, sind Sie im Augenblick mein einziger Besucher. Was kann ich für Sie tun?“
„Mein Name ist Marco Silva. Ich arbeite an einem Buch und interessiere mich für einen Künstler, dessen Arbeiten Sie in der Vergangenheit ausgestellt haben.“
„Oh?“ Scholz zog die Augenbrauen hoch. „Um wen geht es denn?“
„Nico Delani.“
Die Falten auf der Stirn des Galeristen vertieften sich. „Oh“, wiederholte er.
*
Carmen musste sich zwingen, nicht auf der Stelle loszurennen, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte. Ihr war schlecht. Ihre Nerven vibrierten dünn und straff gespannt wie Stahlsaiten. Sie hatte erwartet, dass sie sich nach diesem Telefonat besser fühlen würde, aber das Gegenteil war der Fall. Wie betäubt lief sie zum Ausgang, hastete zum Auto, schloss mit feuchten Handflächen die Tür auf und ließ die Einkaufstüte auf den Beifahrersitz fallen.
Und was, hämmerte es durch ihr Bewusstsein, wenn sie sich in ihrer Einschätzung getäuscht hatte? Was dann? Einen Herzschlag lang spielte sie durch, was passieren würde, wenn sie sich einfach absetzte. Sie konnte das alles hinter sich lassen. Es war ganz leicht. Statt hier auf Nikolaj zu warten, musste sie nur den Motor anlassen und losfahren. Der Gedanke war reizvoll. So sehr, dass sie ihn noch einen Moment länger träumte. Europas Grenzen standen offen. Sie konnte viertausend Kilometer fahren, ohne eine Spur zu hinterlassen. Nach einem Tag oder zwei würde niemand mehr ihre Route nachvollziehen können. In der Tasche auf dem Rücksitz befanden sich immer noch knapp tausend Euro. Sie startete den Wagen und legte einen Gang ein.
Ein Klopfen an der Scheibe schreckte sie aus ihren Gedanken. Nikolaj war auf der Beifahrerseite aufgetaucht. Sie war versucht, einfach aufs Gas zu treten. Stattdessen biss sie sich auf die Lippen und entkuppelte wieder.
Er öffnete die Tür, warf die Tüte nach hinten und stieg ein. „Was ist los?“
Carmen starrte in den Rückspiegel, während sie den Wagen langsam aus der Parklücke steuerte. „Was soll sein?“
„Du siehst aus, als hättest du einen
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