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Kill Order

Kill Order

Titel: Kill Order Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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eine davon eine EC-Karte. Außerdem ein A4-Bogen, auf den seine Legende getippt war. Marco Silva lautete sein Name, Kind italienischer Einwanderer, wohnhaft in Bayreuth, von Beruf Fahrzeugschlosser. Hielt sich in Berlin auf, um seine Schwester zu besuchen. Er legte die Papiere beiseite und griff nach einer der beiden Waffen. Kurz wog er sie in der Hand. Es war eine Glock 17, eine handliche Pistole, deren Magazin aber trotzdem siebzehn Schuss fasste. Probeweise streckte er den Arm aus, stabilisierte ihn mit der zweiten Hand und zielte in Richtung des Fensters.
    Er legte die Glock zurück auf den Boden, stand auf und schlenderte hinüber in die Küche. Dort zog er den Stadtplan aus der Tasche, den er in Paris auf dem Flughafen gekauft hatte. Mit einem Bleistift markierte er den Standort der sicheren Wohnung und anschließend die Adresse, die er in den Zeitschriften gefunden hatte. Die Kunstgalerie Neuhoff im Berliner Stadtbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf.
     
    *
     
    Nikolaj hatte zuerst überlegt, Kusowjenko von einem neuen Mobiltelefon anzurufen, sich dann aber für die Telefonzelle entschieden. Sie hatten in Mlada Boleslav Halt gemacht, sechzig Kilometer von Prag entfernt. Er wollte, dass die lokale Rufnummer auf Kusowjenkos Display auftauchte. Victor sollte wissen, dass Nikolaj sich in der Nähe aufhielt und keine Entfernung ihn schützen konnte. Carmen war im Hotel zurückgeblieben, um auszuchecken und ein paar lebensnotwendige Dinge zu kaufen.
    Erschöpfung nistete in seinen Gliedern. Ihm saß die letzte Nacht in den Knochen. Sie waren mehr als fünfhundert Kilometer gefahren, bis sie gegen drei Uhr morgens diese große und unansehnliche Industriestadt nördlich von Prag erreicht hatten.
    Er ließ eine Handvoll Münzen in den Metallschlitz fallen und wartete auf das Freizeichen. Nachdem er die Nummer gewählt hatte, knackte es ein paar Mal in der Leitung. Ein Computer schaltete sich ein. Eine Frauenstimme sagte etwas Unverständliches auf Tschechisch, aber dann wiederholte sie die Ansage auf Englisch: Die gewählte Nummer ist nicht vergeben. Bitte versuchen Sie es erneut.
    Mit einem Fluch trennte er die Verbindung. Klirrend stürzten die Münzen in den Rückgabeschacht. Er schloss die Augen, um sich zu konzentrieren. Ganz in der Nähe dröhnte ein Schlagbohrer. Auf der gegenüberliegenden Seite war die Straße abgesperrt, Bauarbeiter rissen den Asphalt auf. Staub und der Geruch von heißem Teer hingen in der Luft. Tief holte er Atem; dann klaubte er das Geld aus der Lade und warf es erneut in den Schlitz. Wieder wählte er die Nummer, diesmal langsam und sorgsam darauf bedacht, keinen Fehler zu machen. Die Metalltasten unter seinen Fingerkuppen fühlten sich klebrig an. Er presste den Hörer ans Ohr und lauschte dem Klicken, das den Verbindungsaufbau signalisierte. Ein Rufzeichen ertönte. Sein Nacken begann zu kribbeln. Verwählt, dachte er erleichtert. Er hatte sich nur verwählt. Das Telefon klingelte weiter. Dann knackte es, ein Rascheln, der Atem eines Mannes am anderen Ende. „ Da ?“
    „Ich bin’s wieder“, sagte Nikolaj.
     
    *
     
    Kurz vor halb Zwölf rief Daniel Augmon in Cohens Büro am King Saul Boulevard an. Daniel leitete das Überwachungsteam, das die Aufgabe hatte, alle Aktivitäten des russischen Waffenhändlers Viktor Kusowjenko in Prag zu beobachten. Cohen selbst saß in einer Besprechung, deshalb nahm Yuri Nave, sein Assistent das Gespräch an. Yuri wusste, dass Cohen fieberhaft auf Nachrichten aus Prag wartete. „Was habt ihr für uns?“
    „Wir haben gerade ein Telefonat mitgeschnitten. Alles auf Russisch. Kannst du Russisch, Yuri?“ Daniel lachte freundschaftlich.
    Yuri versetzte die letzte Bemerkung einen Stich. Sprachen waren immer sein Handicap gewesen. Deshalb arbeitete er auch nicht in einer der Stationen in Europa, sondern hockte in diesem hässlichen Betonklotz am King-Saul-Boulevard.
    „Ein Kerl hat ihn angerufen, um ein Treffen in Berlin auszumachen. Es klang wie eine Erpressung. Der große Mann hörte sich ziemlich handzahm an.“
    „Schickt es rüber“, sagte Yuri. „Wir analysieren das.“
    Er lehnte sich zurück und warf einen Blick hinüber zu der Tür, die in Cohens Büro führte.
     
    *
     
    Vierhundert Meter vom Hotel entfernt befand sich ein großer Einkaufskomplex mit Supermärkten, einem Baumarkt, zahlreichen kleinen Läden und Schnellrestaurants. Carmen hatte die Zimmerschlüssel bereits an der Rezeption abgegeben. Ihre Taschen lagen im Kofferraum des

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