Kill Order
Geist gesehen.“
„Die Hitze macht mir zu schaffen.“ Ihr Gesicht glühte. Mit mehr Gewalt als nötig rammte sie den zweiten Gang ins Getriebe. Sie gab zuviel Gas. Ruckend beschleunigte der Wagen. Und die ganze Zeit spürte sie seinen Blick auf sich ruhen. „Was hat er gesagt?“, fragte sie.
„Er ist einverstanden.“
„Einfach so?“
„Einfach so.“
Carmen bemerkte aus dem Augenwinkel sein Lächeln. Sie umklammerte mit beiden Händen das Lenkrad, um zu verhindern, dass ihre Hände zitterten.
*
Der Kaffee war stark und aromatisch und wurde von Scholz’ Sekretärin in kleinen Tassen serviert. Scholz schlug die Beine übereinander und rührte in seiner Tasse. Leise klirrte der Silberlöffel gegen das Porzellan.
„Ich kenne die Stories nur aus zweiter Hand.“ Scholz blickte auf, die Augen wässrig hinter den Brillengläsern. „Der ganze Aufruhr in den Medien. Mein Vorgänger hatte ein paar Mal die Polizei im Haus. Sie haben natürlich auch die ganzen Bilder beschlagnahmt, ein paar von denen waren schon verkauft…“
„Wann haben Sie die Galerie übernommen?“, fragte Rafiq.
„Diese Geschichte hat Neuhoff so sehr geschadet, dass er Bankrott gegangen ist. Im Sommer 2002 musste er verkaufen, anderthalb Jahre nach dem Attentat. Erzählen Sie mir etwas über Ihr Buch. Worum geht es genau?“
„Um Strömungen in der modernen Malerei.“ Rafiq kam keinen Moment ins Stocken. Er hatte den gesamten Flug über Zeit gehabt, sich die Geschichte zurechtzulegen. „Ich porträtiere verschiedene Künstlerpersönlichkeiten. Delanis Malerei hat mich immer beeindruckt.“ Er legte eine Pause ein. „Auch wenn er nach ein paar Jahren wieder von der Bildfläche verschwunden ist.“
Scholz nickte.
„Es ist schwer, etwas über Delani als Menschen zu herauszufinden. Er scheint eine introvertierte Persönlichkeit gewesen zu sein.“
„Ich fürchte, da kann ich Ihnen auch nicht weiterhelfen. Ich habe Delani nie kennen gelernt. Aber er hat mehrmals hier ausgestellt, das habe ich in den Unterlagen.“
„Kannte der Vorbesitzer ihn gut?“
„Oh, da bin ich überfragt.“ Scholz lächelte. „Ich kenne Herrn Neuhoff nur von ein paar Gesprächen, und da ging es um Details zur Geschäftsübernahme. Über sein Verhältnis zu Delani weiß ich leider gar nichts.“
„Wie kann man Herrn Neuhoff erreichen?“
„Ich habe gehört, dass er ins Ausland gezogen ist. Tut mir leid.“
„Schade.“ Rafiq versuchte nicht, seine Enttäuschung zu verbergen.
Scholz nestelte an seiner Brille. „Ich hätte Ihnen gern geholfen.“ Für einen Moment schwiegen sie beide. Dann plötzlich hellte das Gesicht des Mannes sich auf. „Vielleicht möchten Sie sich das Archivmaterial ansehen? Die Ausstellungskataloge, und ich glaube, es gibt auch noch etwas Korrespondenz. Nichts Besonderes.“ Er stand auf. „Wenn es Sie interessiert, können wir ins Lager gehen.“
Das Lager befand sich auf der anderen Seite des Hofes, ein Kellerraum hinter einer schmucklosen Stahltür. Hohe Regale säumten die Wände. Scholz studierte die Beschriftungen, die an den Fächern angebracht waren, dann hob er zwei Plastikboxen heraus und stellte sie auf den Boden.
„Hier. Das ist alles, was ich über ihn habe.“
Rafiq bückte sich und blätterte durch die Papierstapel.
„Das meiste sind Ausstellungskataloge. Die Polizei hat das Zeug durchgesehen und wieder zurückgegeben.“ Er sah Rafiq ein paar Minuten zu, wie er einzelne Druckschriften herausnahm und aufblätterte. „Sie können sich das gern für ein paar Tage ausleihen. Ich brauche es wahrscheinlich sowieso nie wieder.“
Rafiq blickte auf. „Wirklich?“
„Ja, nehmen Sie es mit.“ Scholz machte eine weit ausholende Handbewegung. „Nehmen Sie es und erwähnen Sie mich in der Danksagung zu Ihrem Buch.“
Scholz hatte recht gehabt, was die Korrespondenz anging. Der Inhalt der Briefe war belanglos. Daneben gab es Kataloge zu insgesamt fünf Ausstellungen. Rafiq betrachtete die großformatig gedruckten Bilder mit surrealen Motiven. Landschaften, die sich in kalligrafische Mosaike auflösten. So hatte er es in einem der Kunstmagazine gelesen. Die Bildunterschriften gaben wenig Aufschluss. Rom I bis VI. Barcelona I bis III. Serien zu Brüssel, Oostende, Amsterdam. Irgendwo dazwischen eine Abfolge von Porträts, die alle die gleiche Frau zeigten. Anna lautete die Bildunterschrift.
Der eigentümliche Malstil ließ die Grenzen zwischen Landschaft und Figur verschwimmen. Immer wieder
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