Kill Order
bestanden, ihn aus dem Weg zu räumen, bevor jemand ihn ausquetschen konnte. Oder er am Ende sogar freiwillig auspackte, um seinen Hals zu retten.
Kusowjenko hatte keine andere Wahl gehabt, als auf Libermans Forderungen einzugehen. Er hatte für sich selbst abgewägt, ob das potentielle Risiko wirklich hoch genug war, um einen guten Mann zu opfern. Dann hatte er entschieden und damit waren die Würfel gefallen. Dass die Leute, die Kusowjenko auf Fedorows Fährte gesetzt hatte, dem Killer nicht gewachsen waren, war eben eine andere Sache. Su d ba , dachte Kusowjenko, Schicksal.
Ein zweites Mal würde das nicht passieren.
11
W
arten war ein essentieller Bestandteil des Jobs. War es immer schon gewesen, soweit Rafiq sich erinnern konnte. Zuerst das Warten, und dann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, hektische Betriebsamkeit. Als müssten die Tage, die man beim Warten verloren hatte, in wenigen Stunden wieder aufgeholt werden.
Ein Informant hatte bestätigt, dass ihr Mann im Al Naour Hotel logierte. Alex und Sami hockten in Tripoli und warteten darauf, dass sich etwas tat. Dass Fabio Tripoli verließ und seine Fahrt die Küste hinunter fortsetzte. Katzenbaum hatte die Überwachung auf ein Minimum beschränkt. Falls Fabio wirklich ahnungslos war, dann war das ein glücklicher Umstand, den sie nicht gefährden durften. Sie behielten lediglich das Hotel im Auge, um zu erfahren, wann ihr Mann abreiste.
Am Vorabend hatte Katzenbaum mit Carmen gesprochen. Sie hatte sich einverstanden erklärt, den Lockvogel zu spielen. Rafiq fragte sich, ob sie lange gezögert hatte. Ob es ihr schwer gefallen war, ja zu sagen. Er starrte den Pappkarton an, der neben dem Sofa stand. Sofia hatte Waffen besorgt, und einen zweiten Wagen. Sein Interesse an ihr war merklich abgekühlt, seit Carmen aufgetaucht war. Auch etwas, das ihm Sorgen machte.
Warum zur Hölle war es so wichtig, ob Carmen ihr Okay mit Widerwillen gegeben hatte oder nicht? Und weshalb kühlte ihre Präsenz sein Interesse an anderen Frauen so nachhaltig ab?
Weil er nicht damit klar kam, dass sie weg war, dass sie ihre Drohung wahr gemacht und ihn verlassen hatte. Und vor allem, weil sie keine Anstalten machte, zurückzukommen. Sie schien die Trennung deutlich besser verkraftet zu haben, als er selbst.
Missmutig starrte er zum Fenster. Die anderen waren essen gegangen. Im Fernsehen lief CNN mit einem Bericht über einen Großbrand an der amerikanischen Westküste. Er hörte kaum zu. Er war müde und hatte Kopfschmerzen und überlegte, ob er sich einfach schlafen legen sollte. Die anderen würden frühestens in einer Stunde zurückkommen. Als ein Schlüssel in der Tür knirschte, griff er geistesgegenwärtig nach der Zeitung, die er auf den Boden geworfen hatte; mit der anderen Hand nahm er die Sig-Sauer vom Couchtisch. Leichte Schritte klapperten in der Diele, mit einem metallischen Klacken fiel die Tür ins Schloss. Er entsicherte die Pistole und verdeckte sie mit der Zeitung.
„Ich bin’s“, rief Carmen.
Er stieß den Atem aus, arretierte den Sicherungshebel und legte die Waffe zurück auf die Glasplatte. Carmen tauchte im Türrahmen auf. Sie hob eine Augenbraue, als ihr Blick die Pistole streifte.
„Ich dachte, ihr wolltet was essen?“
„Mir geht’s nicht gut.“ Sie bückte sich nach der Fernbedienung auf dem Glastisch und stellte den Fernseher leise.
„Wieso? Machst du dir Sorgen?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Ich bin mir auch nicht sicher, ob Levs Idee so gut ist“, sagte er.
„Ich dachte, es war eure gemeinsame Idee?“ Sie öffnete die Balkontüren und blieb mit dem Rücken zu ihm stehen, die Hände gegen den Rahmen gestützt. Ihre Haare bewegten sich leicht im Wind. Der Anblick schnürte ihm die Kehle zu. Eine Welle von Zärtlichkeit spülte über ihn hinweg und verwandelte sich in diffuses Unbehagen.
„Carmen, wenn du das nicht tun willst, dann ...“
„Nein“, unterbrach sie ihn, den Blick noch immer auf die Straße gerichtet. „Es ist okay. Ich bezweifle nur, dass es uns weiterbringt. So wie ich das sehe, gibt es zwei Möglichkeiten.“ Sie drehte sich nun doch um. „Erstens, es passiert überhaupt nichts. Der Kerl reagiert nicht auf mich, weil’s eben nicht Nikolaj ist, sondern jemand anderes. Oder es ist Nikolaj, aber er erkennt mich nicht. Zweitens, wir kommen ins Gespräch, reden über alte Zeiten und treffen uns noch mal zum Essen. Erzählen uns, was wir so gemacht haben in den letzten Jahren. Denkst du ernsthaft,
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