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Kill Order

Kill Order

Titel: Kill Order Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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das erste Problem haben. Sie haben sich fünfzehn Jahren nicht gesehen. Carmen hat sich verändert. Ich zum Beispiel konnte nicht einfach so sagen, dieser Mann auf dem Bild ist Nikolaj Fedorow.“
    „Wir haben Fotos. Wir werden sie eben so gut wie möglich herrichten müssen. Die gleiche Frisur, ähnliches Make-up und so weiter.“
    „Wo treffen sie sich?“
    „An einem belebten Ort. Tripoli ist nicht schlecht, aber vielleicht zu früh. Er könnte misstrauisch werden.“
    „Er könnte misstrauisch werden?“ Rafiq lachte ohne Humor. „Natürlich wird er misstrauisch werden! Wie würdest du reagieren, wenn dir jemand plötzlich einen Geist aus deiner Vergangenheit vor die Nase setzt, und der sagt ‚Hi, was für ein Zufall, dich zu sehen’? Wir wissen doch gar nicht, ob er nicht sowieso schon Verdacht geschöpft hat und nur aus diesem Grund nach Tripoli gefahren ist.“
    „Er weiß nicht, wie es ihr ergangen ist. Natürlich wird er sich zusammengereimt haben, dass ihr damals in Gefangenschaft geraten seid, aber seitdem ist viel Zeit vergangen. Wir haben viele der Guerillas wieder freigelassen. Vielleicht hat sie zwei oder drei Jahre in einem Lager abgesessen, und dann haben wir sie des Landes verwiesen. Sie hatte gute Kontakte in den Libanon. Nach Ende des Bürgerkriegs ist sie nach Beirut zurückgekehrt als, sagen wir, als Beraterin für eine deutsche Baufirma. Sie ist Deutsche, das passt. Sie besitzt eine Wohnung in der Nähe des Hotels, in dem Fedorow absteigen wird, wenn er in Beirut ankommt. Da ist es nicht ungewöhnlich, dass er ihr zwei- oder dreimal über den Weg läuft. Vielleicht trifft sie sich genau in diesem Hotel mit Geschäftsleuten zu einer Besprechung.“
    „Was ist, wenn er gar nicht nach Beirut fährt?“
    „Dann müssen wir uns was anderes ausdenken.“
    „Und wenn er Kontakt mit ihr aufnimmt?“
    „Dann wissen wir, dass es wirklich Nikolaj Fedorow ist. Das ist ein Anfang.“ Katzenbaum schüttete Zucker in seinen Kaffee und rührte mit einem Silberlöffel darin herum. Hinter ihnen entstand Unruhe. Ein paar Studenten standen von ihrem Tisch auf, jemand lachte, Worte wurden hin und her geworfen. Es war kurz vor vier Uhr, die Straßen füllten sich.
    „Carmen wird sich freuen, Fedorow zu sehen“, fuhr Katzenbaum fort. „Sie hat ihn fünfzehn Jahre für tot gehalten. Sicher wird er eine geeignete Erklärung für sein Verschwinden parat haben. Die beiden werden sich zum Essen verabreden und Carmen setzt ihren Charme ein, um so schnell wie möglich ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.“
    „Du meinst, sie soll ihn vögeln?“
    Katzenbaum runzelte die Stirn. „Hast du ein Problem damit?“
    „Nein“, log Rafiq. Das flaue Gefühl in seinem Magen ballte sich zu einer eisigen Faust zusammen.
    „Gut. Ehrlich gesagt ist mir auch egal, wie sie ihn zum Reden bringt.“
    „Wenn er wirklich so gut ist, gibt er sich keine Blöße. Dann kann sie lange suchen.“
    „Mal sehen.“ Der Katsa lächelte dünn. „Alte Bande können erstaunliche Dinge bewirken.“

10
     
    D
    avid Liberman organisierte seine Tage nach einem streng festgelegten Zeitplan. Er stand jeden Morgen um sechs Uhr auf, verzehrte ein Frühstück aus Früchten und einem Glas Milch, las dabei die ersten drei Seiten der Jerusalem Post und stieg dreißig Minuten später in den Dienstwagen, um sich zu seinem Büro im Knessetgebäude fahren zu lassen.
    Zwischen Liberman und seinem Fahrer bestand ein langjähriges Vertrauensverhältnis, obwohl sie kaum je ein Wort wechselten, das über dienstliche Belange hinausging. Der Fahrer ahnte Libermans Wünsche, bevor er sie aussprach. Er wusste um die penible Pünktlichkeit seines Dienstherrn und behandelte die gelegentlichen Ausflüge zu einer Adresse in einem Jerusalemer Vorort mit Diskretion. Selbst seine Seitensprünge plante der Abgeordnete mit der Präzision eines Uhrwerks. Jeden ersten und dritten Dienstag im Monat ließ er sich in die Nakhon-Straße fahren. Dort blieb er nie länger als drei Stunden, so dass er stets vor Mitternacht wieder zu Hause war.
    An diesem Abend gab es in Jerusalem ein Gewitter mit Sturmböen und einem heftigen Platzregen. Wasserfäden liefen über das kugelsichere Glas der Autoscheiben. Der Himmel hing grau wie ein zerfasertes Laken über der Stadt. Liberman hatte auf dem Rücksitz neben sich einen Stoß Unterlagen ausgebreitet. Er überflog einen Antrag der Arbeitspartei auf eine Gesetzesänderung im Handelsrecht. Seine Frau ging davon aus, dass er an einer

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